Region 13
Bayerischer Wald, Unterbayern, Oberbayern, Chiemgau


Der Erdstall bei der Rabmühle
Eine Aufarbeitung seiner Geschichte

Regine Glatthaar


Die Rabmühle ist ein Einödhof, der zu der VG Stamsried, im Landkreis Cham gehört. Wir erreichen die Rabmühle, wenn wir von Stamsried ca. 1 km die Straße nach Neukirchen-Balbini befahren und gleich hinter der Fegersmuhl scharf rechts auf ein Flurbereinigungssträß!ein einbiegen. Nach kurzer Fahrt haben wir die Rabmühle vor uns, im schmalen Talgrund des Bernbaches gelegen, der im Westen und Osten von sanften Höhenrücken begleitet wird.


Zur Geschichte des Erdstalls

Am 20. Juli 1914 war der Rabmüller mit seinen Leuten dabei, südlich von seinem Anwesen am leicht geneigten Talhang nach Bausand zu graben. Durch die Grabarbeiten kam ein Teil des Hanges ins Rutschen und vor den erschrockenen Bauersleuten tat sich ein Loch in der Erde auf. Da sich niemand getraute, in das Loch hineinzusteigen, wurde im benachbarten Stamsried Stiftungsadministrator F. Pentner verständigt. Er begab sich mit seiner Tochter, einer Lehrerin, sofort zur Rabmühle und nahm eine erste Untersuchung vor.

         

Es folgen Auszüge aus dem Bericht Pentners, der den Erdstall von der Einbruchstelle am Brunnen begeht:

„Der Eingangsschacht mit einer lichten Öffnung von 90 cm hat eine Tiefe von 2,5 m. Von da aus führt ein etwa 2 m hoher und 1,5 m breiter in den Quarz getriebener Gang in nordwestlicher Richtung, der am ersten Tag auf einer Länge von 25 in wurde. Am 21. Juli 1914 wurde die Forschung fortgesetzt. Vom Eingangsschacht aus gerechnet, etwa 10 m links zweigt ein weiterer gleich hoher und breiter Gang in direkt westlicher Richtung ab, zu welchem man auf vier niederen Lehmstufen, die leider der Vandalismus der Besucher schon nach wenigen Tagen vernichtete, gelangt. Weiter hinter diesem Seitengang, der teilweise verschüttet ist, kommt man in einen größeren, fast kreisrunden Raum. Dasselbe ist der Fall bei der Fortsetzung des Hauptganges, hier ist unschwer zu erkennen, daß ein größerer Raum vorhanden ist. In einer Entfernung von ca. 25 m vom Eingang, zweigt rechts in östlicher Richtung ein weiterer Gang in einer Höhe von 2 m und einer Breite von 1,5 in der eine Länge von annähernd 5 in und in einem Roundel endet, das Platz für 3-4 Personen bietet. Am Ende desselben befindet sich eine runde Vertiefung, ca. 50 cm im Durchmesser. Wie tief sie ist, konnte nicht festgestellt werden, möglich, daß darunter noch ein weiterer Gang sich befindet, oder daß hier der ursprüngliche Zugang zur Siedelung war. In diesem Seitengang, vom Hauptgang etwa 1,5 m entfernt, wurden ein ganzer und ein halber Mahlstein gefunden, beide von geringem Durchmesser, nicht dick und sehr abgenützt. Vor diesem eben beschriebenen Seitengang befindet sich im Hauptgang rechter Hand in einer Nische eine Feuerungsanlage, sie ist zwar teilweise verschüttet, den Zweck kann man aber unschwer erkennen, sogar die Feuerstättebank aus zusammengefügten bearbeiteten Steinen ist noch vorhanden, hinter der Nische gewahrt man ein rundes Loch, das dem Rauchabzug gedient haben möchte. An den Wänden und ovalen Decken aller Gänge, die sorgfältigst mit einer Lehmschicht überdeckt sind (!)‚ sieht man deutlich die Pickelhiebe, wie sie durch die Anlage der Gänge verursacht worden sind. Links und rechts in den Gängen sind in deren felsige Sandwände, die mit großer Sorgfalt bearbeitet wurden, eine große Reihe von Griff - oder Tastnischen eingehauen, sie werden in den völlig lichtlosen Gängen zur Orientierung gedient haben. Alle Wände und Decken sind vom Rauch sehr stark geschwärzt. (Anm.: Es handelt sich wohl eher um einen Algenbelag.) Dem Anschein nach ist der ganze Hügel untergraben und dürfte die Ausdehnung der ganzen Anlage eine sehr große sein. Keinem Zweifel unterliegt es, daß man es hier mit einer unter der Erde großartig angelegten menschlichen Wohnstätte zu tun hat, die unter den in der engeren und weiteren Umgebung entdeckten wohl einzig dastehen dürfte. Die Tast - und Griffnischen liefern den Beweis, daß die Gänge bei der Rabmühle zur Kategorie der vielfach besprochenen, aber noch nicht mit Sicherheit erklärten unterirdischen Gängen gehören, die in neuere Zeit, namentlich vom österreichischen Benediktinerpater Lampert Karner zum Gegenstand der Forschung gemacht worden sind. Mit den Gängen, die man sonst unter Burgen findet, haben sie nichts zu tun; sie stammen wohl aus vorgeschichtlicher Zeit.

Vandalismus hat an der unterirdischen Siedlung bei der Rabmühle große nicht wieder gut zu machende Zerstörung angerichtet, sodaß um noch zu retten, was zu retten war, kein anderer Ausweg blieb, als den Eingang wieder zu verschütten. Dadurch wird in nicht zu ferner Zeit diese Stätte menschlicher Siedelung in grauem Altertum wieder der Vergessenheit anheim gefallen sein."

Soweit der Bericht des Stiftungsadministrators a. D. F. Pentner, den er im März 1928 nach einer erneuten Öffnung der Anlage an das Bezirksamt Roding schickte.

Auch in der Bayerwald-Rundschau wird 1915 in einem kurzen Artikel darüber berichtet, daß „neben der Rabmühle durch Zufall wieder eine jener künstlichen unterirdischen Erdbauten entdeckt wurde, an denen unsere Gegend so reich ist." Der Artikel, der auch von einer Ausmauerung aus großen Steinen und Lehm spricht, einer Herdanlage nicht unähnlich, schließt: „Auch hier hat sich wie in einem unterirdischen Gang zu Arnschwang bei Furth und Regenpeilstein bei Roding ein stark abgenutzter Mühlstein, sonst aber auch gar nichts gefunden, was auf den Zweck und das Alter dieser rätselhaften Erdbauten hinweisen würde."

         

Der nächste, der sich der unterirdischen Anlage bei der Rabmühle annahm, war der Schriftsteller und engagierte Heimatforscher Adolf Schmalix aus Strahlfeld. Er wurde 1949 auf die Gänge aufmerksam und hielt sie zunächst für aufgelassene Bergwerkstollen. Schmalix wandte sich an das Bergamt in Amberg, das auch Interesse bekundete und die Freilegung und Ausräumung der Gänge sogar finanziell unterstützte. (Es ist sicher nicht entgangen, daß Pentner die Anlage nur bis Punkt 10 untersucht hat, weil die Verfüllung der Gänge ein weiteres Vordringen nicht gestattete.)

Das Bergamt Amberg schreibt am 10. Januar 1950 an das Bezirksamt Roding: „Das Bergamt hatte insofern Interesse an diesem Stollensystem genommen, als dieses als eine der ältesten im Bereich vorhandenen und gut erhaltenen Stollenanlagen bezeichnet werden kann und einen Einblick in die Art der Anlage und Durchführung unterirdischer Räume in früherer Zeit gab. Hierbei war es von Interesse festzustellen, daß, abgesehen von der eigenartigen Stollenführung, die Gestaltung und der Ausbruch gewisse Ähnlichkeit mit manchen im 17. und 18. Jh. aufgefahrenen Stollen beim Quecksilberbergbau der Rheinpfalz aufwiesen. 1934 wurden im Gebiet von Oberweiler im Thal und Erzenhausen eine Anzahl von alten Stollen geöffnet, die keinerlei Mineralien erschlossen, aber nach Art der Anlage (Verfolgen von Gangspalten, Quarzgängen) als typische alte Versuchsstollen identifiziert werden konnten. Daß diese alten Stollen Lichtnischen besaßen, wie sie die Anlage bei der Rabmühle aufweist, sei nur am Rande erwähnt."

Inzwischen hatte das Landesamt f. Denkmalpflege in München von der Ausgrabung erfahren und wollte über das Landratsamt Roding eine sofortige Einstellung der Arbeiten erreichen, da „die Gänge in den Jahren 1914 und 1928 erschöpfend aufgenommen und vom Landesamt f. Denkmalpflege erschöpfend beurteilt worden waren." Aber Adolf Schmalix, der die Anlage mittlerweile dem Mithraskult zuordnete, scheint ein sehr temperamentvoller und streitlustiger Herr gewesen zu sein. Es kommt zu einem Schriftwechsel zwischen Landesamt f. Denkmalpflege, Landratsamt Roding und Schmalix, wobei die Herren ganz gewiß nicht zimperlich miteinander umgegangen sind.

Schmalix ließ sich keinesfalls entmutigen. Er hielt Vorträge über „Die unterirdischen Tempelgänge unserer Heimat", wobei es jeweils zu heftigen Diskussionen kam und am 4.9. 1949 veranstaltete er auf dem „alten Keltenkultplatz" ein Waldfest mit Tanz, Kinderbelustigung und Besichtigung der unterirdischen Mithraskulträume." (Der Reinerlös dieser Veranstaltung fließt dem Fonds zur vollständigen Ausgrabung dieser keltischen Kultstätte zu.)"

    

Das Echo in der Presse auf all diese Aktivitäten war überwältigend. Hier nur einige Überschriften von Artikeln von 1949:

„Im Tangoschritt auf keltischer Kultstätte", „Schrazellöcher oder Mithräen? Heimatforscher Schmalix verteidigt sich", „Schrazellöcherforschung unzeitgemäß - Eindeutige Stellungnahme des Landesamtes f. Denkmalpflege".

Wenn der Heimatforscher A. Schmalix mit seiner These, die Erdställe dem Mithraskult zuzuschreiben, auch irrte und wenn er auch bei der Sicherung der Anlage Fehler machte (betonierte Schlußkammer)‚ dann bleibt ihm doch das große Verdienst, die Erdstallforschung in unserem Raum aktiviert zu haben.

Denn zu dieser Zeit saß im Rodinger Landratsamt der junge Amtmann Karl Schwarzfischer. Durch das große Aufsehen, das die teilweise recht phantastischen Deutungen erregten, wurde er auf die Erdställe aufmerksam. Er ahnte den kulturhistorischen Wert der Anlagen, wenngleich über ihren Sinn und ihre Zeitstellung noch völlige Unklarheit herrschte. Die zuständigen Stellen - die Landratsämter Roding und Oberviechtach - wurden in Bewegung gesetzt, dazu kamen namhafte Geschichtsforscher der Umgebung. Im Herbst 1959 und im Herbst 1960 fanden 2 denkwürdige Expeditionen statt, wobei jeweils das Gangsystem eingehend untersucht wurde und anschließend in einer Fachsitzung alle Fragen durchdiskutiert wurden. Die Teilnehmer an diesen Expeditionen waren Karl Schwarzfischer, Regierungsrat Nowak von Oberviechtach, Benefiziat Angerer aus Pösing (der Pösinger Faustkeil wurde von ihm zuerst als solcher erkannt), Regierungsrat Wirner aus Roding, Studienrat Wolf aus Cham 1), Archivar Kick und Dr. Gagel aus Weiden (der Herausgeber der „Weidner Heimatkundliche Arbeiten").

Das erste Ergebnis, das diese Excursionen erbrachten, war ein Artikel von Edgar Nowak, der 1961 erschien 2) Nowak folgt im ersten Teil seines Berichts der Beschreibung Pentners, der ja nur bis Punkt 10 der Anlage gekommen war. Sehr interessant ist, was Nowak weiter schreibt: „Dann folgt abermals eine Verbreiterung auf 2 m Durchmesser.

Zur linken erscheint in der Wand ein kreisrundes Loch. Mit dem Rücken zur Wand zwängt man sieh hindurch und sieht, daß es dahinter wie in einem Kamin steil aufwärts geht. Hier sind die Wände besonders stark verrußt. In 2 m Höhe liegt weicher Mutterboden; man fühlt, könnte man weiter nach oben, dann müßte man dort wohl zum Licht kommen. In diesem Kamin findet sich noch eine kleine Feuerbank, dahinter verengt sich die Felswand zu einem Steinschacht. Zwei, drei Griffnischen fallen noch auf. Dann ermüdet der Körper in der Enge und man läßt sich in den Hauptgang zurückfallen."

Allen, die den Erdstall in der Rabmühle schon besucht haben, wird in Erinnerung sein, daß das kreisrunde Loch zwar noch vorhanden ist und man in eine steilansteigende Röhre hineinleuchten kann, aber von einer Befahrung kann keine Rede mehr sein. Es muß also zwischenzeitlich sehr viel Erdreich nachgestürzt sein. Möglicherweise handelt es sich dabei um den ursprünglichen Zugang.

Aber folgen wir Nowak in Auszügen weiter in seinem Bericht:

„Über acht Stufen geht es diesmal abwärts und hinunter zur tiefsten Stelle des Ganggewirrs. Scharf biegt sodann der Gang nach Osten. Jetzt muß man sich 1,30 m hoch auf ein Gesims hinaufschwingen. Der Gang wird nun höher, so daß man aufrecht darin gehen kann. Dann erweitert er sich und endet schließlich in einem Hohlraum von 2m Breite und 3m Länge; wir stehen knapp unter der Erdoberfläche. Das ist das Ende des Gangwerkes. Insgesamt 58 m Länge messen alle Gangteile zusammen."

Nowak erwähnt noch, daß schon damals die Betonfassung des Hauptganges, die Schmalix hatte ausführen lassen, eingestürzt war.

Der frühere Einstieg war verwachsen, so daß dieses Gangstück nicht mehr betreten werden konnte. Dafür war der heutige Zugang geschaffen worden.

1968 erscheint dann von Karl Schwarzfischer das Büchlein:

„Zur Frage der Schrazellöcher oder Erdställe". 3) Damit wurde die Erdstallforschung auf eine fundierte, wissenschaftliche Grundlage gestellt. Diese Forschungsarbeit wird bis zum heutigen Tag fortgesetzt, viel Material wurde gesammelt, viele Thesen erörtert, durchdiskutiert und wieder verworfen.

Ob wir jemals völlig gesicherte, befriedigende Antworten auf die Frage der Schrazellöcher finden werden?

Manchmal habe ich schon das Gefühl, daß wir vor jedem Schrazelloch noch genau so erstaunt und neugierig stehen, wie der erschrockene Rabmüller, als sich beim Sandgraben am 20. Juli 1914 plötzlich vor ihm die Erde öffnete.

Regine Glatthaar


Anmerkungen und Quellen

1) Herbert Wolf war langjähriger Bodendenkmalpfleger im Landkreis Cham. Er gestaltete 1973 den Umschlag der Erdstallhefte, der den Grundriß des Erdstalls bei der Rabmühle zeigt.

2) Nowak, Edgar, Die Schrazelgänge bei der Rabmühle, Oberpfälzer Heimat, 6. Bd., (1961) 3> Schwarzfischer, Karl, Zur Frage der Schrazellöcher oder Erdställe, Weidener Heimatkundliche Arbeiten, Nr. 12(1968)

DER ERDSTALL, Heft 19, Roding 1993