Region 11
Fichtelgebirge, Franken, Altmühltal

Der Garten der Göttin am oberen Main

Heilige Plätze rund um Bad Staffelstein

Daniela Parr


Links und rechts des Mains bei Bad Staffelstein befindet sich der Garten der Göttin, der im Volksmund "Gottesgarten" genannt wird. Ich kann mir gut vorstellen, dass in dieser Gegend früher die Göttin gegärtnert hat. Die Landschaft ist wunderschön.

Um ein Gefühl für die Landschaft und die Sichtachsen zu bekommen, starte ich meine Tour auf den kleineren Bergen der Umgebung. Im Anschluss daran möchte ich zum Staffelberg, zum Kloster Banz und zur Kirche Vierzehnheiligen.


Veitsberg

Nach einem kleinen Regenschauer erreiche ich die Bergkuppe des Veitsbergs in der Nähe von Dittersbrunn. Auf den Bänken um die kleine Kirche herum sitzen einige wenige Leute in der Sonne, die gerade wieder hinter den Wolken hervorkommt.
Der Veitsberg ist auch unter dem Namen Ansberg bekannt. Hier steckt mit Sicherheit der Name der Bethe Anbeth drin. Das wäre beim Veitsberg, dem verteufelten Berg, nicht überraschend.

Zuerst schaue ich mir den Berg an, dann die Kirche.
Die kleine Kirche auf der Anhöhe wird rundherum von alten Lindenbäumen gesäumt. Es soll sich dabei um den einzigen vollständig erhaltenen Lindenkreis an einer Kirche handeln. Als ich mich genauer umschaue entdecke ich, dass der Hügel in mehreren Geländestufen angelegt ist, also sehr wahrscheinlich künstlich in diese Form gebracht wurde.

            

Vom Plateau des Veitsberges aus hat frau einen guten Blick zum Staffelberg. Ich erkenne darin eine Sichtachse von Kultberg zu Kultberg. Die beiden Plätze sind darüber hinaus durch einen Fernwanderweg verbunden.

Es lohnt sich, ein wenig um den Veitsberg herumzustreifen und sich die Form dieser Erhebung aus einiger Entfernung anzuschauen. Die bauchige Rundung des Hügels ist dann noch besser zu erkennen.

Nachdem ich mir einen Eindruck verschafft habe, schaue ich mir die kleine Kirche an. Ihr Portal ist verschlossen. Der Innenraum kann allerdings durch ein Guckloch am Kircheneingang  bestaunt werden. Gleich darunter befindet sich ein Schlitz aus Metall. Ein gereimter Spruch bittet um Geldeinwurf für einen Blick in die Kirche. Mit etwas Geschick ist es möglich, durch das Loch ein Foto vom Innenraum der Kirche zu schießen.


Alter Staffelberg

Unweit des Klosters Vierzehnheiligen versteckt sich der Alte Staffelberg in einem kleinen Wald. Schon von weitem kann ich den Hügel beschaulich in der Sonne vor mir liegen sehen. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet. Im Wäldchen angekommen, nehme ich einen der ersten Trampelpfade, der nach oben zur Spitze führt.

Nachdem ich mich durch mehrere Gebüsche gearbeitet habe, sehe ich im Gegenlicht die drei Felsspitzen des Alten Staffelberges vor mir in die Höhe ragen. Von unten ist diese Felsformation inmitten des kleinen Wäldchens nicht erkennbar.

         

Auf einem steilen rutschigen Weg erklimme ich das Felsplateau. Die Aussicht von oben ist grandios. Ich setze mich und genieße die Atmosphäre des Felsens. Unten wandern vereinzelt Ausflügler entlang. Auch eine Frau kommt mit dem Fahrrad vorbei. Jedes Mal erwarte ich, dass ich Besuch bekomme oder zumindest entdeckt werde. Aber alle laufen an den drei Felsspitzen des Alten Staffelberges vorbei, als ob sie ihnen nicht bekannt sind. Ich fräue mich über mein verborgenes Versteck und könnte noch stundenlang hier oben sitzen bleiben.


Kemitzenstein

Südlich von Bad Staffelstein, zwischen Kümmersreuth und Lahm, liegt das langgestreckte Felsenriff, das als Kemitzenstein bezeichnet wird. Auch die alte Bezeichnung Chamnitzen ist hier und da noch zu finden. Bei meinem Besuch liegt der Kemitzenstein still in der Abendsonne. Alleine aufgrund der Informationen, die ich vorab finden konnte, war die Größe der Felsen für mich nur schwer abzuschätzen. Als ich nun davorstehe, bin ich beeindruckt, wie lang die Steinformation in Wahrheit ist. Sie muss um die 300 Meter lang sein.

Der felsige Untergrund um den Kemitzenstein wird als für eine Besiedelung gänzlich ungeeignet beschrieben. Am Fuße des Kemitzensteins wurden bei Ausgrabungen allerdings große Mengen an Tongefäßen gefunden. Es wird daher angenommen, dass es sich um einen frühen Kultplatz handelt. Er soll schon seit der Jungsteinzeit besucht worden sein.

Gleich vorne ragt ein unregelmäßig geformter Stein aus dem Boden, der als Rückenlehne für die dort montierte Sitzbank dient. Zuerst muss ich an einen Tisch denken, aber es handelt sich wahrscheinlich um einen Altarstein.

Ich laufe an den Felsen entlang und entdecke an mehreren Stellen kleine Höhlungen oder größere Einbuchtungen. Eine der größeren Höhlen erinnert mich an die Form einer Vulva.

Als ich die ersten Fotos mache, gesellt sich ein Vater mit seiner fünfjährigen Tochter zu mir. Auch er möchte ein paar Fotos schießen. Nachdem ich längere Zeit hier am Platz war, sind dies die ersten Menschen, die mir begegnen. Die beiden kommen von einem Campingmobil herüber, das am anderen Ende der Lichtung im Wald parkt. Eine Frau richtet sich dort gerade häuslich ein. Es sieht so aus, als ob sie die Nacht hier verbringen wollten.

An manchen Stellen sind die Steine so dunkel, als ob sie durch ein Feuer geschwärzt wurden, an anderen Stellen sind sie ganz hell und reflektieren das Sonnenlicht. Manchmal ist die Struktur rau, dann wiederum wirkt sie ganz glatt.

Am hinteren Ende des Kemitzensteins befindet sich eine Hütte. Es sieht so aus, als ob hier an den Wochenenden Getränke und kleine Snacks verkauft werden. Im Moment ist sie allerdings geschlossen.

Neben der Hütte führt ein schmaler Pfad nach oben bis hinter die Steine. Von der Vorderseite aus betrachtet, hatte ich vermutet, dass die Felsformation auch von der anderen Seite aus steil aufragende Felsen bietet. Stattdessen geht es hinter den Felsen eben weiter. Der Kemitzenstein bildet sozusagen eine Felsstufe im Gelände.

Auf der Rückseite sieht es so aus, als ob nur vereinzelte Spitzen aus dem Boden ragen. Die Felsen sind ganz dunkel. Von oben sehe und höre ich eine Wandergruppe, die sich lautstark über das Felsenriff unterhält.

Ich klettere an der Seite auf einem kleinen Pfad wieder hinunter. Eine Frau aus der Wandergruppe fragt mich, ob es hier möglich sei, hinter die Steine zu gelangen. Ich empfehle ihr, den Weg neben der Hütte zu nehmen.

Auf der Weiterfahrt schwelge ich noch einige Zeit in der Erinnerung daran, wie diese schöne Felsformation in der Abendsonne vor mir lag.


Motzenstein

Nahe einem Feldweg bei Wattendorf liegt der Motzenstein unscheinbar in einem kleinen Wäldchen inmitten landwirtschaftlich genutzter Felder. Obwohl ich annehme, schon ganz in der Nähe zu sein, weiß ich nicht genau, ob ich hier richtig bin, da der Felsen sich gut im jungen Grün dieses Frühjahrs versteckt.

Als ich jedoch in das Wäldchen eintrete, erblicke ich den Stein. Er liegt in einem grünen Meer aus weißen Blüten. Später erfahre ich, dass es sich bei diesen wunderhübschen Blumen um die Große Sternmiere handelt.Die Umgebung des Motzensteins erhält durch das junge Grün eine sehr jugendliche Ausstrahlung.

Dieser Eindruck bleibt auch erhalten, als ich auf den Felsen klettere. Oben auf dem Motzenstein befindet sich ein größeres Plateau, das von unten nicht sichtbar ist. Es wirkt sehr luftig und geräumig. Der Ort erinnert beinahe an eine kleine Wohnung. Es gibt sogar eine Art Sitzbank neben einer Wurzel. Zum Feldweg hin befindet sich ein kleines Felsentürmchen mit einem wunderbaren Ausblick. An dieser Stelle ist gut zu erkennen, dass der Motzenstein recht hoch ist. Ohne dass ich meinen Blick nach unten richte, ist es gar nicht so spürbar. Ich fühle mich trotz der Höhe sicher und geborgen auf dem Felsen.

In einem Buch habe ich gelesen, dass dieser Platz seit der Jungsteinzeit immer wieder als Kultfelsen aufgesucht wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Menschen früher um diesen Felsen herum gesiedelt haben.



Drei Berge im Dreieck

Der Grund, warum ich den Garten der Göttin unbedingt besuchen wollte, war, dass ich auf einer Autofahrt von Bamberg nach Coburg einen Blick auf den Staffelberg erhaschen konnte. Der markante Berg mit seiner langgestreckten Form fiel mir damals sofort ins Auge. Meine Begleiterin erzählte mir vom Kloster Banz und der Basilika Vierzehnheiligen, die ebenfalls auf den Bergen links und rechts des Mains liegen. Ein Blick auf die Landkarte bestätigte meine Vermutung. Die drei Berge bilden ein Dreieck. Mittendurch fließt der Main.

Auf der Karte wirken diese drei heiligen Orte sehr vielversprechend. Vor Ort muss ich allerdings feststellen, dass die Kirche hier bei der Überbauung und "Besetzung" alter Kultplätze ganze Arbeit geleistet hat.

Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen

Die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen ist mit dem Auto gut zu erreichen. Leider sind die Straßen stellenweise etwas schmal. Als sich ein neben mir parkendes Fahrzeug in Bewegung setzt, muss ich vor und zurück rangieren. Der Mann auf dem Beifahrersitz schüttelt den Kopf und schimpft. Der Fahrerin des Wagens scheint es eher peinlich zu sein, dass ihr Beifahrer sie drängt auf ihrer Vorfahrt zu bestehen, da sie doch gerade aus einer Parklücke herausfährt. Ein typisch patriarchaler Empfang an diesem ehemals heiligen Ort unserer Vorfahrinnen.

Die von Balthasar Neumann gebaute Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen ragt an der Abzweigung der Straße in voller Größe zum Himmel. Sie ist den vierzehn Nothelfern gewidmet.

Schon im Vorbeifahren fallen mir die vielen Stände mit Devotionalien auf, die sich an einer Seite der Straße entlangziehen: Vom Holzkreuz über Kerzen bis zum Rosenkranz gibt es hier alles zu kaufen. Gleich gegenüber liegen drei Restaurants, die mit der einen oder anderen Spezialität um die Gunst der Wanderer werben. Am anderen Ende der Straße sitzt schon am frühen Morgen eine lautstarke Männergruppe im Biergarten, die sich grölend bemerkbar macht. Ich sehe zu, dass ich zur Wallfahrtskirche komme.

Das Innere der Kirche ist mit Gold und dunklem Holz sehr pompös ausgestattet. Gleich im Eingangsbereich steht eine ausladende Madonnenfigur, die über und über weiß behängt ist. Besucherinnen haben davor Unmengen von Kerzen angezündet. Ein Wächter dreht seine Runden. Ich verlasse die Kirche schon nach wenigen Minuten, da mir die Atmosphäre hier mehr als unangenehm ist.

Kloster Banz

Ich hoffe, auf dem gegenüberliegenden Berg etwas Entspannung zu finden, doch weit gefehlt. Der komplette ehemalige Kultberg ist mit einer riesigen Klosteranlage überbaut, so dass von der ursprünglichen Atmosphäre nichts mehr übriggeblieben ist. Sogar für einen kurzen Besuch werden hier Parkgebühren erhoben. Ich flitze schnell über den Klosterhof, besuche die dazugehörige Kirche und sehe zu, dass ich schleunigst wieder verschwinde. Der ganze Ort ist wenig einladend.

Das Gebiet hinter Kloster Banz gehört ebenfalls zum Kultgebiet des Berges. Etwas abseits des Klosters im Wald befindet sich ein sogenannter Ringwall, der auch heute noch gut als Erderhebung zu erkennen ist. Dem Geomanten Oswald Tränkenschuh zufolge wurden um einen Berg herum oft deshalb Wälle gezogen, um zu verhindern, dass zu viel Material abgetragen wird. Die Höhe eines Kultberges richtete sich in früheren Zeiten oft nach den Planetenzahlen, d.h. bestimmte Orte waren bestimmten Planeten zugeordnet. Um die Abweichung von diesen gering zu halten, wurden Wälle angelegt.


Der Staffelstein

Meine dritte Station an diesem Tag ist der Staffelstein. Seine mächtigen Steinsäulen sind schon von der Zufahrtsstraße aus zu sehen. Auf den Luftbildern im Internet wirkte dieser Platz am wenigsten von der Kirche überbaut.

Der Parkplatz am Fuße des Berges ist relativ voll. Ich kann gerade noch einen der letzten Parkplätze ergattern und sehe einige Gruppen und Familien, die entweder gerade vom Staffelberg herunterkommen oder dabei sind, auf ihn hinaufzusteigen.

Ich versuche, möglichst viel im Schatten zu laufen, da der Wanderweg auf dem ersten Stück sehr steil ansteigt. Bis zur Spitze sind 300 Höhenmeter zu überwinden.

Als der Weg wieder eben wird, zweigt links ein Pfad zum sogenannten Spitzberg ab, einer hübschen kleinen Erhebung, die spitz nach oben zuläuft. Von der dort befindlichen Sitzbank aus kann frau in aller Ruhe den wunderbaren Ausblick ins Tal genießen, da die meisten Wanderer diesen Abstecher auslassen und auf direktem Weg zum Staffelberg laufen.

Am linken Wegesrand blühen die Rapsfelder in wunderschönem Gelb. Gleich dahinter geht es noch einmal kurz durch ein Wäldchen. An der nächsten Steigung tauchen die ersten Sitzbänke auf. Hundert Meter weiter folgt ein Schild, welches die geologische Struktur des Staffelberges beschreibt.

Der Staffelberg besteht aus drei Schichten, die im Unteren, Mittleren und Oberen Jura entstanden sind. Die damals abgelagerten Kalkriffe haben sich mit der Zeit in Dolomitgestein umgewandelt. Die drei Schichtstufen sind sehr gut ausgeprägt und an einigen Stellen des Staffelberges noch gut zu erkennen.

Nachdem ich die letzte Steigung genommen habe, fällt mein Blick auf die große Menge an Menschen, die sich hierher auf den Weg gemacht haben. Da gerade Mittagszeit ist, sitzen viele auf den Bänken im Biergarten. An der Ausgabetheke hat sich eine lange Schlange gebildet. Die Angestellten kommen mit der Essensauslieferung kaum nach. Ein Schild weist zudem darauf hin, dass mitgebrachtes Essen nicht verzehrt werden darf. Angesichts dieses unhöflichen Schildes und der langen Schlange verwerfe ich den Gedanken, hier etwas zu essen.

Stattdessen betrete ich die Kirche, die von der einen Seite vom Biergarten eingerahmt wird. Das Altarbild leuchtet schockierend bunt. Es wird mit farbigen Glühbirnen beleuchtet. Die Heiligenfiguren sind auf einem Fließband aufgereiht und drehen sich hinter einem winkenden Jesus im Uhrzeigersinn im Kreis. Im ersten Moment fühle ich mich an eine Schießbude auf dem Jahrmarkt erinnert.

Hinter der Kirche entdecke ich einen freien Platz mit einem größeren Stück Wiese. Hier haben es sich einige Wenige gemütlich gemacht. Eine junge Frau liest in einem Buch, eine andere legt gerade ihre Nordic-Walking-Stöcke zur Seite und setzt sich. Ein Pärchen hält Händchen.

Inmitten einer Baumgruppe fallen mir zwei knorrige Bäume auf, wie sie gerne an Energieplätzen wachsen. Um die Bäume herum hat sich eine grüne Insel gebildet: eine stille Oase im lauten Trubel der Welt.

An dieser Seite des Staffelberges gibt es mehrere eingezäunte Stellen mit einer phantastischen Aussicht über das Land. Um den Berg herum entdecke ich mehrere außergewöhnlich geformte Erhebungen, die sicherlich in früheren Zeiten ebenfalls kultisch verehrt wurden.

Das Highlight am Staffelberg sind die hoch aufragenden Felsentürme am Nordende des Berges. In den 90er-Jahren wurden einige Bäume unterhalb des Plateaus gefällt, damit der "Berg der Franken" sich wieder in seiner vollen Schönheit zeigen konnte.

Da das Gestein des Staffelberges verwitterungsresistenter ist als jenes der Berge der Umgebung, überragt der Staffelberg alle umliegenden Berge um Längen.

Auf einer der Felsenstaffeln zu stehen ist überwältigend. Der Blick über die Hassberge ist grandios und es stellt sich sofort ein großes Gefühl von Weite ein. Dies versöhnt mich ein wenig mit dem "Schießbudenzauber" am anderen Ende des Berges.
         
Funde aus der Jungsteinzeit belegen eine Besiedelung des Staffelberges schon zur Zeit der Bandkeramikerinnen. Auch in vielen weiteren Zeitaltern wurde auf dem Plateau gesiedelt. Die Blütezeit wird für die beiden Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung angegeben.

Daniela Parr