Region 11
Fichtelgebirge, Franken, Altmühltal

Die wilde frau vom knollenberg/ hollenberg
Ein uraltes wasserheiligtum im knollenberg bei höhefeld wiederentdeckt


Bei höhefeld (main-tauber -kreis) lag der sage nach ein mächtiger, unergründlicher see, bevölkert mit seefrauen.  Der see ist längst der flurbereinigung zum opfer gefallen.

Doch die quelle, die einst den see speiste, sprudelt noch und wenn wir genau hinhören erzählt sie uns von vergangenen zeiten, in der das land und das wasser heilig waren und viele menschen seid altersher sich hier versammelten um im jahreskreis ihre gemeinsamen feste zu feiern und bitten erfüllt zu bekommen.

In der nähe erhebt sich der götzelberg/neuberg, von dem der blick bis in den spessart, odenwald und das taubertal geht. Hier konnten wetterbeobachtungen gemacht werden und ankommende pilgerreisende händler mit feuer geleitet und begrüßt werden. Heute führt dort ein panoramaweg entlang und die großartigen sonnen auf- und untergänge und die mondläufe bewegen uns genau so, wie die damaligen naturverehrenden völker.

Ein uralter höhenweg führt hier vorbei bis urphar und über die schon von der jungsteinzeit an befestigte wettenburg und weiter. Diese alten handelswege wurden auch von den später ankommenden, nicht friedlichen indeuropäern genutzt und kontrolliert.

Von diesem gebiet rund um den see sind einige sagen erhalten geblieben, die sich immer um eine schenkende, wohlwollende „ wilde frau“ drehen.

Durch die forschung z.b. : archäologie, volkskunde, folklore, gewannnamen wissen wir heute, dass die früheren indigenen menschen ihre sozialhistorische geschichte in symbolischen erzählungen weitergaben und so eine orale/ mündliche kultur besaßen.

Da sie nichts oder nur wenig aufschrieben und auch zu keltischer/gemanischer zeit nicht alle lesekundig waren, gaben sie den nachfolgenden generationen ihre geschichte weiter, an langen winterabenden am feuer, in den spinnstuben oder bei den festen von besonders geschulten sogenannten sängern.

Diese meist gesungene geschichte trägt elemente des weltbildes der jungsteinzeit, in der die meisten erfindungen für eine bäuerliche sesshafte kultur entstanden und auf der auch unser heutiges, wenn auch technisiertes leben beruht.

Die brüder grimm und dann auch viele  heimatforscher (der lehrer adam deufel, ortsforscher aus höhefeld vor ca. 120 jahren) sammelten diese werke und schrieben sie auf. So kann ein stück kulturgeschichte, verlorengegangenes wissen, genutzt werden um die geheimnissvollen sagen zum sprechen zu bringen.

Ein stück ortsgeschichte zeigt ihren alten zauber. Da wo nur noch eine felderwirtschaft ist, geben wir der natur eine poetische und nachhaltige kraft zurück von der wir leben.

In einer senke am knollenberg gab es vor langer zeit einen mächtigen, unergründlichen see, von dem die sage folgendes erzählt:

Es lebten hier wassermädchen, die aus den seebrunnen kamen und sehr begabt und freundlich waren und den menschen, wahrscheinlich der germanischen zeit beim spinnen halfen, sie galten als sehr vornehm gekleidet und mussten zu einer bestimmten zeit wieder zurück zum see.

- Diese sage erzählt von frauen, die den see verkörpern, aus dem segenspendendes leben kommt, und sie enthält elemente von einer restbevölkerung, die versteckt in rückzugsgebieten lebten, weil sie vor den hereinströmenden indoeuropäischen völkern auswichen.

Im taubertal ist eine große population von schnurkeramischen und bronzezeitlichen niederlassungen nachgewiesen und im gebiet um den erlisbrunnen/ seebrunnen sind ausgrabungen dazu gemacht worden.

Diese menschen lebten an ihren heiligen stätten und betreuten sie. Ihr weltbild war ein völlig anderes als unser heutiges. Sie waren ackerbaukulturen und von den jahreszeiten abhängig. Sie kannten die sonnen- und mondstände um die richtigen tage für die aussaat und ernte herauszufinden. Dieses alles war ihnen heilig und wurde rituell begrüßt. Die erde wurde weiblich gedacht, weil aus ihr alles, was sie brauchten hervorkam. Sie gaben ihre toten wieder in die erde hinein, um wiedergeboren zu werden, von den frauen des clans.

Es gab eine große göttin, die für leben und tod zuständig war. Diese hatte viele namen, je nach dem in welcher gegend die menschen wohnten und wie die natur oder erde sich zeigte. Wohnten sie in einer berggegend war sie eine berggöttin, an flüssen eine flußgöttin und an besonders prägnanten orten wie seen und sümpfen als unergründlicher segenspendender schoß der erdgöttin. Brunnen, seen und wasser brachten wohlstand und kindersegen.

Hier versammelten sich alle zu den verschiedenen jahreszeiten um die erde zu verehren bis in die germanische zeit und noch lange verborgen bis in die christianisierte zeit.

- Weiterhin erzählt die sage von wilden frauen und männern, die hier gelebt haben sollen und deren körper im sommer mit blättern und ihren langen haaren bedeckt wurden, auch nackt konnten sie gesehen werden, die frauen aber trugen feine gewobene kleidung.

Hier scheinen erzählstränge durcheinander geworfen zu sein:

Zu mittsommer tanzten sie auch nackt und trugen blätterkränze auf dem kopf aber sonst trugen alle gewebte kleidung, das weben war lange schon erfunden in der „wilden zeit“ (jungsteinzeit).

- Eine “wilde frau“, hochgewachsen (ausdruck für hohe, erfurchtsvolle frau) zeigte sich an der alten steige aus einer höhle kommend am knollenberg und schöpfte wasser mit silberner schale aus dem erlisbrunnen, während des sonnenlaufes. Sie galt sehr stolz  und vornehm mit grünem kleid und rotem zierrat. Sie trug einen spieß mit dem sie gekonnt wild jagte.

Hier zeigt sich ein archaischer charakter, der damals noch respektvoll bestaunt und beschrieben wurde. Obwohl sie eine „wilde frau war“! Vielleicht betreute sie als priesterin mit wasserritualen das seeheiligtum.

- Allein sechs sagen sind an den erlisbrunnen/ knollenberg angelagert, die von bitten an die wilde frau sprechen und stets, wenn es denn nötig war auch erhört wurden (laub wurde zu gold).

- Interessant für die these eines lange genutzten seeheiligtum ist die geschichte vom bauern, der die hohe frau mit seiner gier ausnutzen wollte, in dem er gebrechlichkeit vortäuschte und mit krücken zum erlisbrunnen kam, doch sie durchschaute ihn und jagte ihn davon. Behielt die krücken und steckte sie in die nähe des sees, wo sie noch lange zu sehen waren.

Krücken müssen wir uns als astgabeln vorstellen und die stellten an heiligtümmern idole (götterbilder) dar (siehe seeheiligtum niederdorla in thüringen und aufbewahrung der sogenannten idole im frühgeschichtsmuseum weimar). In höhefeld ist die astgabel in der hand der“ wilden frau“ eine göttinabbildung.

Hier sind noch reste der verehrung mit holzidolen in einen bericht über krücken eingebaut, weil man nicht mehr verstand, was diese hölzer darstellten und doch tradieren sie uns, die heiligkeit dieses ortes und die verehrung einer göttinnengestalt.

In frühester zeit galt das ganze land als verkörperung der göttin und pars pro toto der see als ihr segenspendender schoß, bei den späteren völkern blieb nur noch das holzidol übrig am heiligen ort.

Und dann versank langsam das über tausendjährige seeheiligtum. Es wird gesagt der ort wurde unheimlich, die christianisierung mit der dämonisierung  der alten vorstellung schritt voran.

- Die leute gingen nicht mehr gern hin und mieden den platz, doch die kinder und die jugend trauten sich noch lange und wurden weiterhin wunderbar beschenkt mit der güte“ der wilden frau.“

Wie immer sie auch hieß, wir wissen heute, daß ihr germanisierter name“ frau holle“ ist  und am rande des erlisbrunnen hatte sie einen baum, der begehrte früchte trug. Vielleicht war es ein Apfelbaum, ein uralter kulturell verehrter baum, denn der name“ frau hullen baum“ ist als gewannname (lt karte 1746) erhalten geblieben. Sie wurde im main-taubergebiet noch lange verehrt. Selbst in der kilian vita zu würzburg wird sie diana, in der lateinischen gelehrtensprache, und große göttin genannt.

Auch der gewannname mehlen, erinnert an eine funktion der muhme mählen, frau holle als richterin, es spricht für einen ort an heiliger stelle, an der recht gesprochen wurde (malgericht).

Die mönche von bronnbach profanisierten den erlisbrunnen zu einem karpfenteich und löschten die geheimnisvolle
gegend aus. Doch das fest, das gefeiert wurde, wenn der teich ausgelassen wurde und die karpfen abgefischt wurden, brachten die bevölkerung an diesen platz zurück.

Die neuzeitliche flurbereinigung öffnete den see ohne viel nachzuforschen, altes wissen war vergessen und das land am seebrunnen und im see und am erlichsbrunnen wurde zu „sauren wiesen“. Wenigstens als viehfutter zu gebrauchen. Jetzt durch die modere düngung sind es getreidefelder geworden. Aus der kräftigen quelle speist sich wieder ein kleiner mit ried bewachsener see an dem sich die wasservögel erfreuen.

Claudia lodders


Literaturliste:
-Dorf-hoefeld.de/ historisches, alte karten
-Zwischen tag und dunkel, sagen und geschichten aus dem taubergrund, hans werner siegel 1982
-Aufzeichnungen 1892 von lehrer adam deufel aus höhfeld ( dort der hinweis von hollenberg zu knollenberg), handschriftlich, unveröffentlich, von seinen verwandten freundlicherweise zur verfügung gestellt
-Als die göttin keltisch wurde, ursprung und verfall einer alteuropäischen mythologie, claire french- wieser  2001
-Frau holle usw. ,die großen göttinnenmythen mitteleuropas, neu erzählt
Heide göttner- abendroth  2005
-Die göttin und ihr heros, die matriarchalen religionen in mythen, märchen, dichtung, heide göttner-abendroth  2011
-Matriarchale landschaftsmythologie, von der ostsee bis süddeutschland, heide göttner-abendroth  2014
-Mythologische landschaft deutschland, heide göttner- abendroth, kurt derungs (hg)  1999
-Wikipedia: antropomorphe pfahlgötter