Region 11
Fichtelgebirge, Franken, Altmühltal

Das matriarchale Tauberbischofsheim
Eine Führung mit Claudia Lodders
von Daniela Parr


Werbach

Am nördlichen Ortsrand von Werbach wurde bei der Erweiterung des Friedhofsgeländes ein Bestattungsplatz der älteren Eisenzeit mit mehreren runden Gräbern der Hallstattkultur gefunden. Das Gräberfeld unbekannter Größe bestand aus Grabhügeln mit Durchmessern von 2,5 bis 11Meter. Acht Gräber wurden wiederhergestellt.

Das Gelände liegt inmitten eines Neubaugebietes direkt neben dem Friedhof. Die grünen Hügel mit den Steinumrandungen liegen friedlich in der Morgensonne. Ein stilles und beschauliches Plätzchen.


Wolftel bei Werbach
Der schmale Weg zum Naturschutzgebiet auf den Wolftel verläuft entlang der Bergkante und gibt den Blick frei auf eine typische Magergraswiese, wie sie sich gern auf kargen Böden und an steinigen Hängen ausbreitet. Auf dem Bergplateau finden sich vereinzelt kleine Kiefern und einige Wachholderbüsche.

Der Name Wolftel geht auf das Wolfstal zurück. Auffallend ist dabei, dass sich das Gebiet unterhalb dieses Berges Am-berg nennt. Das leitet sich sehr wahrscheinlich von Ambeth (einer der drei Bethen) ab. Zu Füssen des Berges können wir das wabenförmige Bestattungsfeld aus der Hallstattzeit sehen. Auch der Ausblick ins Taubertal ist traumhaft. Von hier aus ist deutlich zu erkennen, dass hier einmal eine Seenlandschaft war. Das Tal wird zur Mündung hin immer enger. Früher führte die Tauber einmal mehr Wasser, welches sich an der Engstelle zu einem See staute. Der Berg, auf dem wir stehen, muss ein alter Kultplatz an dieser Route gewesen sein.



Liebfrauenbrunn bei Werbach

Etwas außerhalb von Werbach, auf der gegenüberliegenden Seite im Tal, liegt die Kirche Liebfrauenbrunn. Sie wurde auf einer Quelle mit Heilwirkung gebaut. Die Kirche hat damit versucht, die Quelle zu verdecken und auch zu vereinahmen. Früher hingen hier viele Votivbilder an der Wand. Gläubige, die durch das Wasser Heilung erfahren haben, haben sie gestiftet. Diese Votivbilder wurden vor einigen Jahren verkauft, um die Kirche zu renovieren. Nun gibt es keine direkten Hinweise mehr auf die Heilkraft der Quelle.

Um zur Quelle zu gelangen, müssen wir einen Kreuzweg passieren. Als wir das letzte Mal da waren, wurde dieser noch links und rechts von wunderhübschen alten Bäumen gesäumt. Diese sind zwischenzeitlich abgeholzt worden. Die Kirche wirkt nun fast nackt.

Der Kreuzweg vor der Quelle zeigt uns deutlich, dass es sich um einen alten, von der Bevölkerung gut besuchten, Heil- und Ritualplatz handelt.

An der Treppe links der Kirche weist ein sehr kleines Hinweisschild mit der Aufschrift "Quelle" den Weg. Die Heilquelle selbst ist mit einem Gitter versperrt. Das Wasser ist nur indirekt über einen Wasserhahn abfüllbar (abzufüllen?). Wie am Odilienberg verfälscht diese Umleitung in ein Metallrohr die Heilqualität des Wassers. Es hat lange nicht mehr die anregende Wirkung auf den Körper, wie direkt aus der Quelle getrunken. Besonders interessant finden wir, dass sich der Altar oben im Kirchenschiff direkt über der Quelle befindet.

Dem Wasser wird heilende Wirkung bei Augenkrankheiten und bei Frauenleiden nachgesagt. Erst nachdem wir einen Schalter betätigen, können wir uns von dem Wasser abfüllen. Claudia hat manchmal beobachtet, dass Besucherinnen in dem Flüsschen neben der Kirche baden.

(Wir treffen eine Frau, die gerade Wasser holt. Sie erzählt uns, dass sie und ihre Familie mit Freunden in zwei Wohnmobilen vor der Kirche parken. Sie wollen hier übernachten, weil ihnen die Atmosphäre so gut gefällt.)

Träubelesäule

Neben der Kirche ragt eine Rotsandstein-Säule mit Weinranken in die Höhe. Es sind sowohl Blätter, als auch Traubenklötze aus dem Stein herausgearbeitet. Am Fuß der Säule befindet sich ein Abbild der Tödin, die eine Sichel in der Hand hält. Gekrönt wird die Säule von einer Kreuzigungs-Szene mit jeweils einer Person links und rechts vom Kreuz und einer weiteren Person zu Jesus Füßen knieend. Wir finden es sehr ungewöhnlich, dass direkt unter einer Kreuzigungsszene die Tödin in Aktion tritt.

An der Seite des Säulenkopfes darf an diesem alten heiligen Platz natürlich der Drachentöter Georg nicht fehlen.

Hier, was Claudia Lodders dazu ergänzt hat:
 
"der drachentöter georg ist zu sehen (soll allerdings auf den namen des stifters zurück gehen, der georg martin erlenbach hieß) auf der anderen seite ist der martin mit pferd zu sehen. es gibt ein kirchenregister zur stiftung. die sage zu diesem bildstock erzählt die geschichte von der frau des stifters, die mit dem linken fuß in die sense getreten ist und daran verblutete. eine andere sage erzählt, dass der stifter geizig gewesen ist und das wasser mit qecksilber vergiftet habe, damit die menschen nicht mehr über seine wiese gehen, zur strafe starb seine frau durch besagten unfall. ich denke hier hat man dinge verknüft, erstmal um die uralte heilige stelle zu verunglimpfen und dann um als buße wieder zu marieas gnaden kommen zu dürfen, mit kirchlicher genehmigung."


Naturschutzgebiet Lindenberg bei Werbach

Ein weiterer sehenswerter Ort ist der als Naturschutzgebiet ausgewiesene Lindenberg knapp hinter Werbach. Der markante Hügel ist teilweise von einer Magergraswiese mit Wachholderbüschen bewachsen und schon von weitem ein schöner Anblick. Daran kann auch der Steinbruch am hinteren Ende des Berges nichts ändern.

An der Seite des Berges führt ein verwunschener Weg nach oben. Zwischen den Bäumen ist es am Anfang noch relativ kühl, aber auf den Magergrasflächen wird mir schnell warm.

Oben finde ich einen hübschen Platz zum Verweilen und schaue den Lastern dabei zu, wie sie zum Steinbruch hin oder weg fahren.

Weiter oben steht ein Schild: "Taubertalblick WF Werbach 1979". Von hier aus hat frau einen ausgezeichneten Blick ins Tal. Und unterhalb der Sitzbank erfreut frische frühlingshafte Vegetation meinen Blick. Ein toller Platz, um ein wenig zu verweilen und die Seele baumeln zu lassen.

Erst auf dem Rückweg bemerke ich das Brummen der Motoren. Ich werfe einen Blick über den Zaun. Direkt auf der anderen Seite wird an diesem wunderschönen Berg Gestein abgebaut. Es bleibt zu hoffen, dass wirklich nur die eingezäunte Ecke des Berges abgetragen wird. Alles andere wäre zu schade.



TAUBERBISCHOFSHEIM


Schloßplatz, Türmersturm
In Tauberbischofsheim starten wir am idyllischen Schloßplatz mit seinen liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern in Richtung des alten Turms, der Türmersturm oder Burgfried genannt wird. Er gehört zum Schloss und ist ein Teil der Stadtmauer. In früheren Zeiten diente er zur Überwachung des Umlandes.

Im Eingangsbereich des alten Schlosses weist uns Claudia Lodders auf den jungen Heros an der Wand hin, der in einer hockenden Haltung dargestellt ist. Der Heros in seinem grünen Wams und der einladenen Stellung für die heilige Hochzeit heißt Hans. Es handelt sich um die Märchengestalt  des starken Hans, wohl auch eine Gestalt des wilden Mannes oder des Heros der Frühlingskraft.

In einigen der Rotsandsteinblöcke des alten Schlosses sind Kultschliffe zu sehen. Es ist anzunehmen, dass das Gebäude mit heiligen alten Steinen erbaut wurde. Dem Steinmehl, das die Menschen in früheren Zeiten aus der Mauer bohrten, wird eine heilende Wirkung nachgesagt.

Das alte Schloss ist das Witwengut von Königin Uta (911).

 
Krötenbrunnen und Stadtmauer

Durch einen Torbogen an der Stadtmauer gelangen wir in die Altstadt, wo wir ganz in der Nähe der Stadtmauer auf einen der vielen Krötenbrunnen der Stadt stoßen. Im dreieckigen Brunnenbecken wachsen Seerosen. Orangefarbene Goldfische flitzen zwischen den Wasserpflanzen herum. In einer der Ecken sitzt eine große steinerne Kröte und speit Wasser. Die Kröte als altes matriarchales Göttinnensymbol hat sich in vielen Winkeln von Tauberbischofsheim bis in die heutige Zeit erhalten. Die von Lioba ausgesandten Kröten sind eine Erscheinungsform der Göttin im Frühling. Mutter Erde schickt ihre Botinnen ins Land, um den Frühling anzukündigen: ein Zeichen für ewige Wiederkehr, Wiedergeburt und Fruchtbarkeit.


Armenspital
In einer schmalen Altstadtgasse stoppen wir an einem langgezogenen grünen Gebäude, an dessen Wand ein Weinstock entlangrankt. Es handelt sich um das Armenspital, das erstmalig im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt wird. Claudia erklärt uns die beiden an der Wand angebrachten Wappen.

Auf dem ersten Wappen ist einmal oben und einmal unten ein Wolf zu sehen, der pro Pfote jeweils drei Ähren Korn hält. Die heilige matriarchale Zahl drei wird hier viermal dargestellt. Bei dem Tier handelt es sich um den Kornwolf, für den in früheren Zeiten eine Garbe auf dem Feld gelassen wurde. Ganz unten auf dem Wappen ist diese gebundene Garbe abgebildet. Links und rechts des oberen Kornwolfes stehen die Initialen M und V.

Auf dem zweiten Wappen sehen wir drei Berge, drei Sterne und den Greif. Ein zweiter Greif sitzt oben auf einem gekrönten Helm.

Claudia Lodders schreibt dazu:
"die beiden wappen werden auch" redendes wappen" genannt. so bedeutet das wappen von M V, magdalena virnhaber, ein anderer name für alter haber, letztes haferbündel, hier als löwenwolf figur oder biest mit ähren in den pranken dargestellt und einem wunderschönen gebundenden haferbündel, das auf das alte brauchtum nach der ernte zurück führt. das wappen ihres mannes phillip zehnter mit dem greifen, eines alten matriarchalen kalendertieres und zeigt natürlich auch die elemente an (wasser die schuppen, feuerspeiender drache, flügel die luft, löwenschweif die erde) und die vier himmelsrichtungen. die sterne und der dreigeteilte berg beziehen sich sicher auch auf eine herkunft einer adelsfamilie,die mit dem uralten überlieferungen oder mit derem schutz noch betraut waren, das aberlängst verlorengegangen ist. genau so ist es wahrscheinlich auch mit der herkunft der schlangen -priesterin/göttin auf dem wappen, derer von wicksenstein, die hier in tbb güter hatten. in meinen augen schöne bilder aus einer verlorenen zeit."

Wir finden es sehr spannend wie viele matriarchale Überreste sich im heutigen Stadtbild verstecken.


Melusinen-Haus
Ein paar Straßen weiter gelangen wir zum kürzlich renovierten Melusinen-Haus. Die Holzvertäfelungen an der Vorderseite zeigen verschiedene Melusinen, zu denen es jede Menge Sagen im Taubertal gibt. Auf einem Schild lesen wir, dass das sogenannte Liebler-Haus 1628 erbaut wurde.

Hier die Melusinensage von Eulschirbel, die Claudia Lodders uns erzählt hat:

"(uhl heißt eule aber auch topf und schirben = scherben tönernder topf, eigentlich topftopf, es wurden hier allerdings auch tonscherben als opfergaben ganz in der nähe vom hexenstein in gamburg gefunden).

der graf verliebte sich an der eulschirb mühle in ein grasmädchen, das sich als einziges ausbat, von ihm von donnerstagabend bis samstagmorgen frei zu haben (= Freyatag). allerdings stahl der graf dem mädchen ein kleidungsstück und so hatte er eine gewisse macht über sie. der graf entdeckte durch nachspionieren den melusinenschwanz beim baden in der tauber. trotzdem blieb er bei ihr. das grasmädchen arbeitete bei dem müller, bei dem sie angestellt war, für drei. der eifersüchtige müller wollte daraufhin dem glückseligen treiben des grafen ein ende machen. er holte sich ein geweihtes wachsblättchen von den mönchen aus dem nahen kloster bronnbach. die melusine stolperte über das blättchen und  verschwand auf nimmerwiedersehn. der graf starb aus gram und seine witwe die gräfin von gamburg lies am ort der eulschirbmühle ein frauenkloster gründen, von dem nichts mehr überliefert ist.

ich denke, diese erzählung geht zurück auf einen sehr alten brauch, bei dem der landesherr nur dann inthronisiert wurde, wenn er in heiliger hochzeit mit dem land, sprich hier mit der flußlandschaft, verbunden wurde. die landschaft wurde früher weiblich gedacht. dies wurde aber bald durch die missionierung von seiten des entstehenden klosters bronnbach unterbunden. das angebliche frauenkloster war sicher eine priesterinnengemeinschaft an dieser heiligen stelle, darauf weisen auch die topfscherben hin."

             

Am Melusinenhaus ist die alte Symbolik noch lebendig. Linkerhand unter zwei Fenstern sind Nixengeschwister abgebildet, die ein Lilienbild halten. Oben sehen wir eine große Lilie, die durch einen Ring mit einer kleinen Lilie verbunden ist: ein Symbol für die Wiedergeburt. In der Mitte des Hauses finden wir das Sonnenrad oder auch das Rad des Jahreskreises daneben einen Melusinerich mit Sonne und Mond.


Stadtkirche St. Martin


Die Martinskirche, die von den Franken gegründet wurden, steht auf einem Kulthügel, der durch die Überbauung nicht mehr so gut zu erkennen ist. Erst als uns Claudia darauf hinweist bemerken wir, dass es leicht bergauf geht. In der Nähe der Kirche hinter einer alten Mauer steht ein restauriertes Haus mit einem Brunnen, den eine grosse Melusine bewachte. Diese ist jetzt im Museum zusehen. Die Kirche wurde übrigens nicht nur Martin geweiht, sondern auch "unserer lieben Frau". Dies taucht nur nirgendwo mehr in den Kirchenführern auf.

Die Kirche hat einen Fraueneingang, über dem sich ein Schlussstein aus der Vorgängerkirche befindet. Es scheint der Heros mit meditativem Ausdruck zu sein, der jetzt als Dämon über dem Eingang ausharren muss.

In der Kirche befindet sich ein schöner Lioba-Altar vom bekannten Steinbildhauer Thomas Buscher, der auch den Hullefraa- und Hoakemobrunnen in Gamburg geschaffen hat. Lioba ist die Stadtheilige von Tauberbischofsheim, die hier eine Klostergründung um 735 vorbereitete. In den Erzählungen nimmt sie oft die Stelle einer weißen Frau ein, die mit Riesen Umgang hatte und die Bevölkerung vor Naturgewalten schützte.

In der Vorgängerkirche gab es Wandmalereien: einen riesigen Christopherus mit einem großen Stab und eine Madonna in der Mandorla mit Strahlenkranz. Leider gibt es nur noch Fotografien davon.

In einer Ecke der Kirche befindet sich ein Epitaph (Grabmahl) derer von Riedern. Auf dem Grafschaftswappen ist die kretische Schlangengöttin abgebildet. Das Wappen befindet sich in einer dunklen Ecke der Kirche und ist nur von einer eingeweihten Besucherin zu finden.

Bei genauem Hinschauen können wir oben auf den Orgelpfeifen eine weitere Kröte entdecken. Das alte Frauensymbol von Tauberbischofsheim ist auch in dieser Kirche nicht wegzudenken.


Haus der Seelsorge


Das Haus der Seelsorge in der Liobastraße war bis vor ein paar Jahren noch das Klösterle der Liobaschwestern, die hier in Angedenken Liobas im Schuldienst tätig waren. Claudia Lodders zeigt uns denTürgriff in Form einer Melusine. Wir finden den Gedanken sehr nett, dass die Liobaschwestern hier jeden Tag der Melusine des Ortes die Hand gaben.

Auf dem Wandrelief an der gegenüberliegenden Seite ist ein Jüngling abgebildet. Der Baum, an den er angebunden ist wurde gekappt. Drei Männer schießen mit Armbrüsten auf ihn. Das Bild soll den Heiligen Sebastian zeigen. Dieses Szenerie ist aber eine sehr alte Kultdarstellung des Übergangs vom Sommer- zum Winter, in dem der Sommerheros vom Winterheros abgelöst wird.


Liobabrunnen

Eine Statue der Göttin Lioba, der Schutzpatronin von Tauberbischofsheim, finden wir gleich ein paar Meter weiter am Liobabrunnen.

Der Brunnen trägt die Aufschrift:

"Oh Lioba, oh Charitas,
treib weit von uns all' Neid und Hass.
Bitt' für dein liebes Taubertal
und alle Menschen überall."

Mehrere steinerne Kröten klettern aus dem Brunnen heraus. Sie gelten als Begleittiere und Symbol der Göttin Lioba in ihrer Frühlingsgestalt. Die Göttin auf dem Brunnen hält einen Stab in der Hand, mit dem sie drei Kröten als ihre Botinnen in das Land hinausschickt.

Tauberbischofsheim ist ein Krötengebiet mit vielen Warnschildern im Frühjahr zur Krötenwanderung. Die Kröten tauchen sogar im Namen des Karnevalvereins auf.

Vielen Dank an Claudia für diese aufschlußreiche Führung.

Daniela Parr