30.3.2010
Sirilya Dorothee von Gagern an das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren

Sehr geehrte Frau Kölbl, 

Ihr Prospekt zu der Ausstellung der Urmutter vom Hohlen Fels von Schelklingen ist leider so abgefasst, dass es sehr fraglich ist, ob ich mit meinen Gruppen, so wie es geplant war, die Ausstellung besuchen werde oder die Ausstellung in meinem Umfeld empfehlen kann. Sie verwenden einen Stil, der aus einem Playboy-Magazin der 70er Jahre stammen könnte. Inzwischen sind aber mehr als 30 Jahre vergangen und in unserer Gesellschaft besteht eine größere Sensibilität zum Thema Sexismus, Diskriminierung von Frauen etc., die sich z.B. auch in der Einrichtung von Frauen-Gleichstellungsstellen niederschlägt.

Wir Frauen können so eine Darstellung des archäologisch so bedeutsamen Fundes des Urmutter nicht hinnehmen, denn Sie stellen ihn in einen Zusammenhang, der nicht nur lächerlich ist, sondern der auch Frauen ihre Würde abspricht und sie zum Lustobjekt des Mannes degradiert. Und das gerade in einer öffentlichen Ausstellung, die auch von Kindern und Jugendlichen besucht wird und wo der Ausstellungsbesuch von den Schulen als Bildungsangebot gesehen wird. Es gab bereits im letzten Jahr Berichterstattungen über den Fund, der eindeutig aus verzerrten Männerfantasien stammt, wie z.B. im Spiegel, wo vom Triebstau unserer Vorväter gesprochen wird, der solche Frauendarstellungen zu seiner sexuellen Befriedigung gebraucht haben soll.

Da Sie eine Frau sind, Frau Kölbl, haben Sie es doch gar nicht nötig, auf diesen Zug zu springen. Warum stellen Sie die Urmutter nicht als das vor, was sie ist: die älteste Darstellung einer Frau in der Menschheitsgeschichte.

Sie haben sicher auch Zugang zu einschlägiger Literatur zu Forschungen, die nachweisen, dass diese Frauenstatuetten aus der Urzeit einen kosmischen Aspekt darstellen und die runden Formen einen symbolhaften Charakter haben. Es wird das Weltbild der damaligen Menschen, Mann und Frau, wiedergegeben, in dem das Höchste Prinzip als weiblich galt und Frauen als Stellvertreterinnen dieses Prinzips verehrt wurden (z.B. Marie König, Am Anfang der Kultur; Marija Gimbutas, The Goddesses and Gods of Old Europe;

H.Delporte, L´image de la femme dans l´art préhistorique; Sirilya D. v.Gagern, Cambra Skadé, Botschaften der Großen Göttin, Carola Meier-Seethaler, Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht).

Die Öse am Hals der Figur und ihre Gebrauchsspuren sind meiner Meinung nach ein Hinweis darauf, dass die Figur getragen wurde und damit die Trägerin dieser Figur ihren eigenen Kopf aufgesetzt hat.

 Können Sie sich wirklich so wenig eine Welt vorstellen, in der Frauen als das Höchste Schöpfungsprinzip verehrt werden? In unserer heutigen Gesellschaft wundert das nicht. Aber den ca. 5000 Jahren Patriarchat, in dem wir leben, gehen mindestens 35 000 Jahren voraus, in der die Frauen die Repräsentantinnen der Großen Göttin waren. Davon sind ca. 10 000 Jahre exakt belegt in der Matriarchatsforschung (z.B. Heide Göttner-Abendroth, Die Göttin und ihr Heros, Das Matriarchat u.a.)

Ich bin der Meinung, Frau Kölbl, dass Sie unserer Urmutter vom Hohlen Fels einen schlechten Dienst erweisen mit diesem Prospekttext, der unter der männlichen Gürtellinie platziert ist. Es liegt allerdings auch in Ihrer Macht, dies zu ändern.

Mit freundlichen Grüßen, 
Sirilya v. Gagern
Seminarleiterin, Autorin