Region 8
Thüringer Becken, Vogtland, Thüringer Wald


Die sagenhaften Querliche in den Zechsteinhöhlen von Garsitz
Gleichzeitig ein Ort ältester menschlicher Besiedelung in Thüringen

Ingolf Heinze
Garsitz 38e
07426 Königsee/Thüringen

Farbfotos: Daniela Parr
Postkarte: Ingolf Heinze
Gemälde: Sandy Stremmel

Wenige hundert Meter westlich der Ortslage Garsitz erhebt sich ein altes in einem tropischen Meer vor ca. 270 Millionen Jahren entstandenes Zechsteinriff. Das steil aufragende felsige Zechsteinriff gehört zum Flurteil Gebörne und wurde in den vergangenen Jahrhunderten auch Mönchstuhl oder Schopsberg genannt und ist Teil der Gemarkung von Königsee und Garsitz. Die Höhlen hier im Berg wurden seit jeher als Querlichslöcher bezeichnet und waren der Wohnort von sagenhaften Zwergen, welche sich hier jedoch Querliche nannten. Die Querliche waren kleine, fleißige und hilfsbereite Wesen, gingen barfuß und barhäuptig. Sie waren jedoch nicht arm und verwahrten ihre Schätze in den Tiefen der Höhlen. Sie sammelten vorwiegend in der Nacht am Gebörne und im Lommel nach wertvollen Erzen, Silber, Gold und Edelsteinen, welche sie horteten und auch weiter verarbeiteten.

(Der Bergbau in dieser Gegend geht nachweislich bis in das 14. Jahrhundert zurück, dabei ist auch ein Abbau der Erze seit der Bronzezeit möglich. Abgebaut wurde vorwiegend der Kupferschiefer im liegenden des Zechsteinkalkes, welcher Kupfer, Silber, Blei und Kobalt enthielt. Ebenso wurde Eisenerz in anderen Grubenfeldern abgebaut.)

Die größte ihrer Höhlen nennt sich das Große Querlichsloch, welches jedoch seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts auch Bärenkeller, aufgrund der vielen gefundenen Knochenreste vom Höhlenbär, genannt wird. Es ist deshalb auch sehr interessant, dass der Wohnort der sagenhaften Querliche auch ein Ort menschlicher Besiedlung war. Ein reiches archäologisches Fundmaterial beginnend mit der jüngeren Altsteinzeit vor ca. 16.000 Jahren, der neolithischen Zeit, der Bronzezeit und fast durchweg bis in unsere heutige Zeit, belegt eine lange Besiedlungsgeschichte vom Jäger und Sammler über den Ackerbauer und Viehzüchter bis zum jetzigen Tätigkeitsbild des Menschen unserer Gegend. Höhlen und markante Berge als Orte menschlicher Besiedlungsgeschichte in Thüringen und unserer unmittelbaren Heimat waren auch schon immer kultische Orte, Legenden- und Geheimnis um wittert, der Ort von Sagen und Mythen.

So alt wie die Menschheitsgeschichte ist, so alt sind auch die Sagen von Naturwesen die den Menschen bei seinen Tätigkeiten vor allem in der Natur begleiten. Ob in dunklen oder lichtvollen Wäldern, Wiesen, Ackern Felsen Hohlen Bergwerken, Teichen, Flüssen und Seen überall gibt es Sagen, Märchen und Erzählungen von diesen den Menschen meist hilfreich zur Seite stehenden Naturwesen. Sie nennen sich Feen, Elfen, Elben, Riesen, Kobolde, Nymphen, Zwerge oder Querliche, um nur einige zu nennen. Sie haben unterschiedliche Gestalt, mannigfaltiges Aussehen und sind von winziger bis riesiger Größe. Eins haben sie anscheinend doch gemeinsam, denn ihr Wirken auf unserer Erde ist auf die Erhaltung der Natur und die Bewahrung des Gleichgewichtes in Zusammenhang mit dem menschlichen Wirken auf der Erde ausgerichtet. Sie sind Hüter von Schätzen und manche haben auch die Fähigkeit in die Zukunft zu sehen. Sie bestrafen nicht nur den der sie verspottet, hintergeht oder nicht ernst nimmt sondern auch solche die gierig, maßlos und zerstörerich mit Pflanzen Bäumen, Tieren und anderen Naturgütern, wie Wasser, Erze oder andere lebenswichtige Dinge umgehen.

Aber viel häufiger zeigen oder helfen sie den Menschen in angemessener Weise Wege des Lernens, Verstehens und Vergebens zu gehen und belohnen oftmals auch die Menschen für ihre Hilfe und ihr gelebtes Mitgefühl.
Auch wir können hier in unserer unmittelbaren Heimat innerhalb Thüringens auf einen großen Märchen- und Sagenschatz schauen. Wir alle kennen die Sagen und Märchen der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm. Nur wenige wissen, dass Jacob Grimm in seinem im 19. Jahrhundert geschriebenen Buch Deutsche Mythologie" in sehr ausführlichen Umfang die Herkunft und das Entstehen der Sagen- und Märchenfiguren von Deutschland mit Einfluss aus dem europäischen-, arabisch-, asiatisch- und indischen Bereich erläutert und diese in vielen abgewandelten Erzählungen bis hin zu den unzähligen Verfilmungen in unserer heutigen Zeit, die die Erwachsenen —und Kinderwelt bis jetzt erfreut.

Auch die Märchensammlung von Ludwig Bechstein, die sich tendenziell mit den Grimmschen Werken decken jedoch mit seinen Worten wiedergegeben werden nehmen Bezug auf Thüringen und unsere unmittelbare Heimat. Die Broschur der Sagenkreis von Rudolstadt und Umgebung Waldlandsagen, Schwarzatal, Konigsee, Paulinzella, Blankenburg Rudolstadt nach Ludwig Bechstem herausgegeben im Thüringer Chronik - Verlag, H.E. Müllerott 2004 gibt einen Einblick in die Sagenwelt unserer unmittelbaren Heimat. Auch die von Heinz Deubler gesammelten und neu erzählten Waldlandsagen, welche von den Rudolstädter Heimatheften herausgegeben wurden, haben einen engen Bezug zu unserem Territorium und auch den Zwergensagen aus den Querlichslöchern vom Gebörne bei Garsitz.

Diese insbesondere nach Erzen suchenden Querliche benötigten zum Verschmieden und Herstellen von Schmuck Schwertern und sonstigen Gebrauchsgegenstände große Mengen an Metall und waren unermüdlich auf der Suche nach diesen. Sie suchten auch die Nähe des Menschen halfen oft im Stall und Haus, waren aber manchmal auch launisch und konnten allerhand Schabernack treiben, besonders wenn man sie ärgerte.

Frei nach Waldlandsagen von Heinz Deubler und Ludwig Bechstein trugen sich nachstehende Geschichten zu:

Eines Tages kam ein Mädchen aus Dörnfeld an der Querlichshöhle vorüber und sah plötzlich verwundert auf: aus dem Dunkel des Felsenloches leuchtete es golden und silbern hervor!

Neugierig trat es näher und bemerkte auf steinernem Tische Schüsseln aus Silber und Löffel aus Gold, dazwischen aber lagen, über die Tischplatte verstreut, glitzernde Edelsteine. Schnell nahm es einige der schönen Dinge
an sich, denn die Schemel am Tische waren ja leer, die Zwerglein hatten sich noch nicht zum Mahl eingefunden.
Aber zu Hause war all der Glanz verschwunden, ganz gewöhnliche Schüsseln und Löffel nur, dazu braune und weiße Höhlentropfsteine hielt das Mädchen in den Händen.

So geschah es auf einer Hochzeit in Pennewitz. Weil die Braut die Zwerglein des öfteren in der Spinnstube verspottet hatte, rächten sich die Kleinen und schütteten einen ganzen Sack Salz in die Bratensoße.

Weit angenehmere Bekanntschaft mit den Querlichen konnte dagegen eine betagte Bauersfrau aus Garsitz machen, hatte sie doch einen von ihnen, der mit wundem Fuß oben an dem Felsen lag, in ihrer Schürze nach Hause getragen und gepflegt. Da kamen die Brüder des Kleinen tagaus, tagein zu Gast, fütterten und pflegten das Vieh der Alten, und seltsam, das Futter nahm eher zu, als dass es weniger geworden wäre.

Doch unerwartet schnell ging das seltene Glück vorüber, ja, die alte Frau trug sogar selbst die Schuld daran und hatte es doch gewiss nicht gewollt. Im Gegenteil! Welches Mitleid empfand sie mit den Kleinen, die bei Wind und Wetter ohne Strümpfchen und Mützchen einhergehen mussten. Sie strickte ihnen die Sachen, da aber schämten sich die Kerlchen ihrer Nacktheit und blieben seitdem verborgen.

Eine Gans, die sich zufällig in das Querlichsloch verirrt hatte, und darin herumgelaufen war, ist erst drei Tage hernach auf dem Singerberge ganz vergoldet wieder herausgekommen.

Nur einmal noch glaubte man einen Querlich bemerkt zu haben. Schon eine ganze Zeit leuchtete in dunklen Nächten plötzlich irgendwo in der Garsitzer Flur ein Licht auf und schwebt kreuz und quer über die Felder. Einige Beherzte stellten fest, dass es aus einer dreieckigen Laterne kam, nur blieb ihnen der Träger verborgen. Eines Nachts hetzte man einen scharfen Hund auf die Erscheinung, seitdem ist sie ausgeblieben. Sicherlich war es ein Querlich, so meinten die Garsitzer, der wieder nach Erzen Ausschau hielt.

Dies alles hat sich wohl in seinen Ursprüngen vor vielen, vielen Jahren vielleicht auch vor tausenden Jahren oder schon zu Zeiten der Jäger und Sammler zugetragen und wurde durch die Menschen hier von Generation zu Generation weiter erzählt, ergänzt, verändert und den jeweiligen menschlichen Entwicklungsstand angepasst.

Die Sagen von Zwergen oder Querlichen und den Naturwesen allgemein, ist ein fester Bestandteil der Deutschen Mythologie dessen Wurzeln in den alten Götter- und Heldensagen, die über ganz Europa verbreitet sind liegen.

Auch heute noch, bei einem abendlichen Spaziergang über die Hochfläche des Gebörnes bei Garsitz, entlang des höhlenreichen Steilabfalls oberhalb der Zechsteinriffkante, meint man im letzten Licht der untergehenden Sonne noch schemenhafte kleine Gestalten zu bemerken. Mit den nach heißen Tagen besonders im Sommer auftretenden abendlichen Talwinden fangen die Baume Büsche und Gräser an zu rauschen und man meint raunende leise Stimmchen zu hören.

Wenn man in sich geht, nur auf sein Inneres hört und das Gefühl hat, nicht alleine hier zu sein, mit ehrlichen und guten Herzen daran glaubt, vielleicht noch ein dreieckiges Laternenlicht sieht, dann hat man hoffentlich das Glück ein Querlich zu sehen.

Vielleicht gibt es doch eine Anderswelt in der Naturwesen leben, die nur darauf warten mit uns durch ihre Tore zu gehen, um die alten Kontakte wieder herzustellen. Oder sollen wir sie erkennen und unser Selbst dafür öffnen, um wieder gemeinsam mit ihnen zu lernen, die Natur zu achten und zu lieben.

Wir sollten es einfach ausprobieren.

Ingolf Heinze
Garsitz 38e
07426 Königsee/Thüringen

Farbfotos: Daniela Parr
Postkarte: Ingolf Heinze
Gemälde: Sandy Stremmel


Verwendete Literatur:
1. Bechstein, Ludwig Deutsche Märchen und Sagen Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1980
2. nach Bechstein, Ludwig Der Sagenkreis von Rudolstadt und Umgebung -Waldlandsagen- Schwarzatal, Königsee, Paulinzella, Blankenburg, Rudolstadt Thüringer Chronik-Verlag, H.E. Müllerrott, Coburg 1858, Arnstadt 2004
3. Deubler Heinz Waldlandsagen, Rudolstädter Heimathefte Druckgenehmigung M 189
4. Grimm Jacob Deutsche Mythologie marixverlag, Wiesbaden 2007
5. Köhler, Michael Thüringer Berge und ihre Sagen, Jenzig-Verlag Gabriele Köhler Jena 1994


Nachdruck einer historischen Postkarte mit Querlichsloch: