Region 7

Hessisches Bergland, Rhön, Odenwald

Tour 2: Der Weg der weißen Göttin
das magische Dreieck Holle-Teich, Kalbe, Altarstein am Osthang ihres Berges
von Annette Rath-Beckmann



2.1: Holle-Teich


Jacob Grimm beschreibt in seiner „Deutschen Mythologie“ unter dem Eintrag „Göttinnen“ die Göttin Holle als „himmlisches, die Erde umspannendes Wesen“...“Sie liebt den Aufenthalt in See und Brunnen; zur Mittagsstunde sieht man sie als schöne weiße Frau in der flut baden und verschwinden“[1]

Der Holle-Teich, ein am Fuße einer Basalthalde gelegener stiller Weiher, ist das Bad der Göttin, in das sie einsteigt und sich erneuert, vor allem nach ihrer Frühjahrsluftfahrt. Magische Attribute des Wasserelements wie Reinigung und Erneuerung verbinden sich im Holle-Teich mit dem Motiv der Wiedergeburt, denn er ist in der Holle-Mythologie auch Aufenthaltsort der AhnInnenseelen, die eine neue Mutter suchen.

Ebenso wie der Brunnen im Märchen von Goldmarie und Pechmarie ist der Holle-Teich ein Eingang in das unterirdische Reich der Göttin (die schamanische Untere Welt).

Die bislang ältesten Funde, die auf den Holle-Teich als Kultstätte hinweisen, sind Münzen aus der Zeit des römischen Kaisers Domitian (1. Jhd. n.u.Z.).

Auch heute noch treten BesucherInnen oftmals still an das Ufer, halten Zwiesprache mit der Göttin Holle und versenken eine kleine Gabe (Stein oder Münze) in diesem von einer Quelle gespeisten Gewässer.

[1] Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, Kap. XIII, Göttinnen, Eintrag „Holda“




2.2. Kalbe

Die Kalbe ist ein Aussichtspunkt am Osthang des Meißners (720 m ü. N.N.), der durch eine wild durcheinanderliegende Halde von Basaltblöcken gebildet wird, auf der sich windschiefe Bäume mühsam festhalten. Sie ist durch den bis Mitte des 20.Jahrhunderts andauernden Kohleabbau vom restlichen Meißnerplateau getrennt und droht abzurutschen in die unterhalb liegenden steilen Bergwälder. „Kalbe“ bedeutet „kahle Stelle“ (mhd. chalwe, lat. calvus) und dieser Teil des Berges spielt in der überlieferten Holle-Mythologie keine besondere Rolle.

Aufgrund ihrer exponierten Lage am Osthang des Berges ist sie dennoch eine Art „Wahrzeichen“ und lädt die Göttin nach ihrer Frühjahrsluftfahrt über ihr Land zum Spiel mit dem Wind ein, einem ihrer Gefährten. Von hier aus segnet sie ihr Land und lässt ihren Atem als belebenden Hauch über Felder und Wälder wehen.




2.3. Altarstein(e)

Der unter diesem Namen bekannte Stein, ein einzeln liegender Basaltblock unterhalb einer Blockhalde im sog. Bannwald ist schwierig zu finden.


Wann und durch wen er seinen Namen erhielt, ist ebenfalls nicht bekannt. Es gibt einige Hinweise und Vermutungen (s.u., mein Beitrag in der MatriaVal Nr 10, März 2010, S. 67), aber in der überlieferten Holle-Mythologie wird er nicht erwähnt.


Dennoch ist er ein Platz, der – ähnlich wie sein auf einer gegenüberliegenden Anhöhe zu findendes Pendant, der Feenstein, BesucherInnen und VerehrerInnen der Göttin magisch anzieht .


Beide Orte werden aufgesucht zur stillen Zwiesprache, zum Feiern eines Rituals, zum Tönen und Rasseln. Gaben an die Göttin (Blumen, Zweige, Steine, Knochen) werden hier abgelegt, und dies zeugt von einem immer noch (oder endlich wieder) lebendigen Kult der Großen Göttin.


Annette Rath-Beckmann