Region 6
Niederrhein, Eifel, Hunsrück, Pfalz und Saarland

Ferschweiler Plateau



Die Texte sind dem Buch: "Magische Eifel - Reisen zu mythischen Orten"
von Judith Mies entnommen.
www.arduinna.de


Ferschweiler Rundwanderung

Wer gut zu Fuß und entsprechend ausgerüstet (feste Wanderschuhe!) ist, kann von Ferschweiler aus eine schöne, ca. 15 km lange Rundwanderung unternehmen, weniger Geübte teilen die Besichtigung besser in zwei Touren auf. Im Folgenden schildere ich zunächst mögliche Wege und gehe anschließend auf die zahlreichen Sehenswürdigkeiten ein.

Teil 1 ist leider nicht kinderwagen-, rollstuhl- oder tourenradgeeignet, da er komplett über Felsenpfade führt. Mountainbiker sollten etwas Kondition und Fahrsicherheit in felsigem Gelände mitbringen.

Teil 2 ist, sofern man ab Bärenstein den gleichen Weg zurückgeht, auch auf Rädern zu bewältigen. Rollstühle oder Kinderwagen können den Weg nutzen, der lange Anstieg zu Beginn ist ein wenig mühsam, mit ausreichend Pausen aber zu schaffen.

Das Dianadenkmal kann von der Siedlung Parkdorf am Sauerufer aus über die Dianastraße erreicht werden. Hier kann man bis auf wenige Meter mit dem Auto heranfahren und gelangt durch eine Lücke im Zaun zum Denkmal. Die Schweineställe sind für Menschen mit eingeschränkter Mobilität nur sehr schwer erreichbar. Beide Touren starten am Wanderparkplatz Brechlay in Ferschweiler.


Tour 1: Sportliche Naturen folgen von Ferschweiler dem Weg 4 durch spektakuläre Felsformationen und kommen am Felsüberhang der Schlösserlay vorbei, wo noch im 19. Jahrhundert zwei Schmiedefamilien lebten. Das Jägerkreuz, errichtet nach einem Unglücksfall, sowie steinerne Schweineskulpturen weisen uns den Weg nach links in die Schlucht „Schweineställe“ und zur Artio-Inschrift. Nach einer Ortsbesichtigung, evtl. auch einem Picknick im Grünen, steigt man auf Ringweg Anach Schloss Weilerbach (mit Café) ab.

Von hier aus gibt es zwei Möglichkeiten, zur Plateauhöhe zu gelangen: Ein breiter Waldweg führt mäßig steil den Hang hinauf, zunächst zu einer Abzweigung nach links zum Bärenstein, kurz darauf zur Wallanlage Niederburg und dem Tanzkyllplatz. Wer steile Anstiege nicht scheut, folgt zunächst der Beschilderung „Dianadenkmal“ und erreicht dieses nach ca. 20 Minuten. Anschließend schlängelt sich ein Pfad in Serpentinen hangaufwärts zum Bärenstein und weiter auf den breiten Waldweg. Hier hält man sich nur noch kurz links und gelangt zur Niederburg und dem Tanzkyllplatz. Für einen kurzen Rückweg nach Ferschweiler eignet sich Weg 8. Es ist aber auch möglich, von hier aus Tour 2 rückwärts zu gehen.


Tour 2: Dieser Weg wendet sich vom Wanderparkplatz Brechlay in Ferschweiler aus zunächst entlang der Straße ortsauswärts, dann die Straße überquerend nach rechts (Weg Nr. 6) und gelangt durch die Scholtesdell zum gallo-römischen Gräberfeld „Kiesgräber“. Kurz dahinter geht Weg 9 nach links ab und gelangt nach ca. 1,5 km zur Niederburg. Der Bärenstein befindet sich in ca. 400 m Entfernung. Anschließend können Sie über den ziemlich buckligen und mitunter feuchten Weg 8 nach Ferschweiler gelangen oder Sie gehen den gleichen Weg zurück.


Luzienturm Ferschweiler

Umfriedet von Mauern und einer Hecke erhebt sich am Ortsrand der Chorturm der spätgotischen, ehemaligen kath. Pfarrkirche St. Luzia, gewidmet einer viel verehrten, weiblichen Lichtgestalt der Winterzeit. Von der ehemals einschiffigen spätgotischen Kapelle ist nur der Glockenturm mit seinem treppenförmigen Giebel erhalten. Der Grundriss ist durch die Steinpflasterung und die bis zu geringer Höhe wieder aufgebauten Mauern sichtbar. Das Kirchenschiff wurde 1876/78 abgerissen, weil es baufällig war. An der Nordseite befindet sich eine Sakramentsnische mit Seelenloch – durch diese Öffnung sollte das Allerheiligste auch für die Toten erreichbar sein.


Schweineställe und Artio-Inschrift

Die vom Volksmund so bezeichneten Schweineställe sind eine ca. 300 m lange und etwa 60 m breite Schlucht mit schmalem Ein- und Ausgang. Durch diese Schlucht führt zugleich der kürzeste Weg von Ernzen nach Weilerbach. Er wurde täglich von Arbeitern der Weilerbacher Eisenhütte genutzt.

In der Schlucht ist es immer etwas dämmrig, an beiden Seiten erheben sich die Felswände fast 40 Meter hoch; in die zerklüfteten Wände führen geheimnisvoll wirkende Schluffe und Höhlen. Dem Ernzener Schweinehirten bot sich dieser Engpass an, wenn er sich das Hüten leicht machen wollte. Er brauchte nur die schmalen Durchlässe am Ein- und Ausgang abzuriegeln und seine Tiere fanden mit den Eicheln reichlich Nahrung. Aus dieser Tatsache heraus glaubte man bisher, den Namen leicht erklären zu können, zumal die überlieferte Mundartbezeichnung „Schweijstääl“ nur mit „Schweineställe“ übersetzbar ist.

Mythologisch machen Schwein wie Schweinehirt Sinn: Bei den Kelten war das Schwein nicht nur beliebte Speise, sondern vor allem ein heiliges, den Göttern und der „Anderswelt“, dem keltischen Jenseits, zugeordnetes Tier. Schweine begleiteten den irisch-keltischen Gott Dagda; der gallische Teutates erscheint bisweilen als Eber und der Waldgott Silvanus mit einem Frischling im Arm. Eine junge Jägerin, auf einem Wildschwein reitend dargestellt, wird gemeinhin als Arduinna, die Schutzgöttin von Eifel und Ardennen, angesehen. Unser heutiges „dreckiges Schwein“ stand einst in hohem Ansehen: In Ägypten bedeutete es Fruchtbarkeit, das griechische Wort „choiros“ hieß gleichzeitig Schwein und Vulva.

Eine andere Deutung leitet die Ortsbezeichnung vom althochdeutschen Sweiga „Weide, Weideplatz“ ab. Zudem sei Stelle vom mittelhochdeutschen Stal (Stelle, im Sinne von Ort) herzuleiten. Von einem anderen Wort her kommt man auch hier beim Schweinehirten und seiner Herde bei der Waldweide heraus; der Bezug dürfte also nicht zufällig sein.

In einen der Felsen ist die Inschrift Artioni Biber tief eingemeißelt. Ein Mensch namens Biber weihte der keltischen Göttin Artio diese schlichten Zeilen. In der Regel wurden solche Exvotos als Dank für erhaltene Hilfe erstellt.

An der linken Seite der Inschrift ist, noch schwach erkennbar, ein Hammer mit einer weiteren Inschrift eingemeißelt: Tertius [T]ertinus [U]rsulus. Die Echtheit des Hammers ist fraglich, diejenige der Inschrift nicht. Die Bezeichnung Ursulus (Bärchen) kann einfach ein Name sein, legt jedoch einen Bärenbezug nahe, der sich in der Artio-Arduinna-Verbindung wiederholt. Artio ist die keltische Bärengöttin, und die Göttin der unbestellten Natur sowie des Waldes. Hierin weist sie deutliche Übereinstimmungen mit der namensähnlichen Arduinna auf. Sie gilt als Beschützerin der Mütter und der gebärfähigen Frauen.


Dianadenkmal

Oberhalb des Bollendorfer Ortsteils Weilerbach am Osthang des Sauertals wachte einst Diana über die Wälder und Felsen der Südeifel. Das stark beschädigte Reliefbild wurde im 2. Jahrhundert n.u.Z. aus einem anstehenden Sandsteinblock herausgearbeitet. Zwischen je einem Pilaster und einer Säule sind Beine und Gewandteile einer weiblichen Figur erhalten, daneben die Beine eines Hundes oder Hirsches. Dass es sich um eine Weihung an die Göttin Diana handelt, geht aus der erhaltenen Weiheinschrift hervor: Deae Dianae Q(uintus) Postumius Potens V(otum) S(olvit) – „Der Göttin Diana hat Quintus Postumius Potens (den Stein gewidmet und) das Gelübde erfüllt.“

Schriftliche Weihungen in Erfüllung eines Gelübdes waren in römischer Zeit weit verbreitet, doch nur selten wird der Anlass für die Votivgabe genannt. Wir können nur spekulieren, ob er etwas mit dem engeren Wirkungsbereich der Göttin zu tun hatte. Die römische Göttin Diana war für den Schutz des Waldes und seiner BewohnerInnen, aber auch der Jäger zuständig und gilt als römisches Äquivalent der griechischen Artemis. Diese wiederum fand aus weit älterer Zeit und mit einem einst sehr viel weiteren Wirkungsbereich ihren Weg in die klassische Antike. „Votivfiguren, die in der Nähe des Denkmals aufgesammelt wurden, lassen auch an eine Weihestätte für die Beschützerin der Wälder, der im Gewande der Diana erscheinenden Göttin Arduinna, denken.“ (Schindler 146)

Für den fragmentarischen Zustand des Monuments wird der hl. Willibrord verantwortlich gemacht. Er soll im Zuge der Christianisierung den oberen Teil des Denkmals mit der „heidnischen“ Darstellung entfernt haben.


Diesburger Hof und Scholtesdell

Der Hof wurde als Didrichsburg 1284 zum ersten Mal erwähnt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde an ihrer Stelle der ehemalige Gutshof der Abtei Echternach erbaut. Die Hofanlage besteht aus Herrenhaus, Kapelle und Wirtschaftsgebäuden, die wohl um 1736 vollendet wurden. Das jüngere Wohnhaus stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Hier, in der Scholtesdell, soll in windigen Vollmondnächten das Scholtesmännchen zu hören sein. Dieses – normalerweise geschildert als ausbeuterischer Lehnsherr und Sonntagsfrevler, der daraufhin zum wilden Jäger wurde – tritt in einer Version als Verehrer „der Heidenfrau“ auf, die in einem Felsen nahe des heutigen Diesburgerhofes hausen soll. Eine Quelle sei nach ihr „Gretchenborn“ benannt. Eines Tages sei das Scholtesmännchen auf der Jagd nach einem Keiler von diesem schwer verletzt worden. Blutend stieg er aufs Pferd und ritt zum Felsen der Heiden-Margareta, während aus seinem verletzten Bein unaufhörlich Blut tropfte. „Aus den roten Tropfen wuchsen von nun an feuerrote Blumen aus der Erde als Kennzeichen seines Weges.“ (Schneider 246)

Auch im Mythos von Artemis/Kybele und Attis befruchten die Blutstropfen des Heroen die Erde. Sie werden zu Veilchen d.h. aus dem freiwilligen Blutopfer wächst neues Leben. Ähnlich ergeht es dem bekannteren Adonis, einem Geliebten der Aphrodite. Der eifersüchtige Kriegsgott Ares, je nach Überlieferung auch Apoll, verwandelte sich in einen wilden Eber und verletzte Adonis schwer, bevor er ihn zu Tode hetzte. Aus jedem Blutstropfen sei ein Adonisröschen gewachsen, eine feuerrote, herzwirksame Giftpflanze.

Der wilde Jäger ist eine weit verbreitete Sagengestalt, die sich auf vorchristliche Wurzeln zurückführen lässt. Es handelt sich in der Regel um einen adligen Mann mit Pferd und Hundemeute, mitunter begleitet von einer ganzen Jagdgesellschaft, den man nachts in den Wäldern der Eifel hören kann. Die „wilde Jagd“ ist allgemein gefürchtet, doch gibt es kaum Berichte darüber, dass Begegnungen mit ihr ernsthaften Schaden anrichten. Das hat die Meute ja zu Lebzeiten ausreichend getan. Denn auch hinter den Jägern verbergen sich der Überlieferung nach unerlöste Seelen. Ihr nächtliches „Gedeisch“ wird als Strafe für böse Taten gewertet – meist Feiertagsfrevel, Untertanen quälen und Korn zertrampeln. Unterhalb des Diesburgerhofes, ganz in der Nähe des Gretchenborns, soll übrigens der Pestzug gegangen sein.


Kiesgräber, Niederburg und Tanzkyllbuchen

Die Kiesgräber bei Bollendorf sind ein gallo-römischer Begräbnisplatz aus der Zeit um 200 n.u.Z. Hier sind in anstehendes Gestein viereckige Vertiefungen zur Aufnahme von Urnen mit Leichenbrand eingearbeitet. Sie waren mit halbwalzenförmigen oder dreieckigen Hüttengrabsteinen abgedeckt. Die quadratischen Vertiefungen im Sandstein sind noch gut zu sehen, auch einige Kopien der Decksteine wurden aufgestellt. Weiterhin findet sich ein flacher Sandsteinsockel, der einst ein Grabmal oder eine Figur getragen haben mag sowie eine längliche, annähernd körperförmige Mulde im Stein, womöglich ein Verbrennungsplatz. Über Herkunft und Bedeutung des Namens Kiesgräber lässt sich nur spekulieren: Mit Kieseln hat das Wort wohl nichts zu tun, denn diese kommen am Fundort nicht vor. Dort liegen nur große Sandsteinblöcke.

Die wegen ihrer steilen Hänge oft als „Naturfestung“ angesprochene Hochfläche von Ferschweiler war an ihren Rändern durch Wallanlagen zusätzlich geschützt; zwei größere Festungen mit besonders hohen und festen Wällen haben möglicherweise als eine Art Burg fungiert. So kam die Niederburg zu ihrem Namen. Über Alter und Zweck der Anlage auf einem südwestlich gerichteten Bergsporn wurde viel spekuliert. Von einem Oppidum der Aduatuker bis zu den Kimbern und Teutonen reichten die Vermutungen. Der Volksmund siedelte in ihrem Schatten keltische Blutopfer, wilde Schlachten und Hexentänze an. Archäologische Belege gibt es kaum.

Zu Füßen des noch deutlich erkennbaren Hauptwalls der Niederburg stehen imposante alte Bäume, die Tanzkyllbuchen. Die stattlichste unter ihnen hatte einen Stammumfang von mehreren Metern, war um die 300 Jahre alt und wurde Mutterbuche genannt. Leider musste sie vor einigen Jahren nach einem Unwetter gefällt werden. Tanzkyll kann von Tanzen kommen, auch ein angeblicher Hexentanzplatz wurde hier verortet. Möglich ist jedoch auch eine Ableitung von keltisch Duans/Dunon „Höhenfestung“ und Kyll „Buchen(wald)“. Somit haben wir hier entweder einen Tanzwald oder einen Wald der Höhenfestung. Beides macht Sinn, denn mit der Niederburg liegt sowohl eine Höhenfestung als auch ein möglicher Treffpunkt der Bevölkerung vor.


Bärenstein oder Opferaltar

Der in der Nähe der Niederburg gelegene, als Druidenstein, Heidenstein oder Opferaltar bezeichnete große Sandsteinblock wird heute als Naturdenkmal angesprochen. Die als Opferschale mit Blutrinne interpretierten Vertiefungen können als Verwitterungsformen gelten. Das Fehlen von Opferfunden gilt als Indiz für den natürlichen Ursprung der Form, kann jedoch auch dem Zahn der Zeit geschuldet sein. Gelegentlich wird der Fels als „Bärenstein“ bezeichnet; mit etwas Phantasie kann man in der Silhouette tatsächlich einen Bärenkopf erkennen. Vor seiner Zerstörung und Wiedererrichtung soll der Stein die Form einer ganzen Bärin gehabt haben. Hier könnte ein Zusammenhang zur Artio-Inschrift bei den Schweineställen und über diese zu den Votivfiguren der Arduinna beim Dianadenkmal bestehen.

Josef Pütz, Zahnarzt aus Irrel und engagierter Heimatforscher, schrieb in den 1970er Jahren: „Namen wie ‚Rotes Kreuz’, ‚Bärenstein’, ‚Heidenstein’, ‚Druidenstein’ und ‚Opferaltar’ sind geläufig für den fünf Meter langen und drei Meter hohen Felsblock, der an seiner Oberseite eine muldenartige Vertiefung mit Abflusskanal aufweist und offensichtlich der heidnischen Bevölkerung als Opferstein diente. Inmitten der Vorburg (der Niederburg, J.M.), etwa 100 Meter südlich der westlichen Hälfte des Querwalls im Norden, befindet sich dieser ‚Opferaltar’.“ (Pütz 110) Auch die mündliche Überlieferung und der Heimatforscher Theis sprechen den Stein als Opferstein an.

Manifest und heute noch für jeden im Gelände nachvollziehbar ist der räumliche Zusammenhang mit der Niederburg, aus dem wir indes nicht automatisch auf einen funktionellen schließen dürfen. Zeitlich sind die beiden Bodendenkmäler nicht unter einen Hut zu bringen. Der Stein, wenn er denn von Menschen bearbeitet worden ist, dürfte in die europäische Megalithkultur, d.h. in die Jungsteinzeit, datieren. Die Zeitstellung der Niederburg ist unklar, frühestens wurde sie in der Urnenfelderbronzezeit erbaut, wahrscheinlich sogar wesentlich später. Schindler datiert sie in die Zeit der Trevereraufstände. Das ergibt einen Zeitabstand von mindestens 1000 Jahren zwischen der Errichtung des Bärensteins und dem Bau der Niederburg.

Für eine kultische Funktion des Steins in früherer Zeit spricht die Tatsache, dass lange Zeit ein Kreuz daneben stand. Der Felsblock befindet sich nicht mehr in seiner originalen Lage, sondern liegt in einem Betonfundament auf einem Sockel aus gewachsenem Fels. Heute gilt dies als ein Zeugnis der wechselvollen Geschichte. Im Krieg wurde der sogenannte Opferaltar von seinem Sockel geschossen und erst später wieder auf seinen Platz zurück gehoben. Doch auch hier weiß Pütz anderes zu berichten: „Leider wurde das Denkmal nach dem Zweiten Weltkriege von frevelhafter Hand mittels Traktor von seinem Sockel heruntergerissen. Im Jahre 1971 wurde der Opferstein mit hohen Kosten wieder auf sein ursprüngliches Postament gesetzt.“ (Pütz 110) Ob Pützens unbefangener Umgang mit der vorrömisch-heidnischen Vergangenheit als nicht mehr zeitgemäß galt oder ob man sich schlicht des Vandalismus schämte? Die Version des Arztes dürfte nämlich authentisch sein: Die Tatsache, dass unmittelbar an der umkämpften deutschen Westgrenze und recht kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Bombenversion so einleuchtend gewesen wäre, spricht für die Echtheit seiner Aussage. Bemerkenswert ist, dass der eindrucksvolle Fels in keiner Sage vorkommt, obwohl sich einige mysteriöse Begebenheiten in seiner Nähe abgespielt haben sollen.

Auf dem alten Verbindungsweg zwischen Niederburg und Wikingerburg, heute Wanderweg Nr. 9, soll die „Frau mit dem eisernen Mantel“ umgehen. Jakob Schneider gibt die Sage aus der Zeit der treverisch-römischen Auseinandersetzungen folgendermaßen wieder:

„Wenn einst Feinde sich der Hochfläche näherten, brachten die Bewohner derselben Greise, Frauen, Kinder und Habe auf der von starken Wällen umschlossenen Niederburg in Sicherheit, während die Männer die Randwälle rund um die Hochfläche besetzten. Da die Feinde am leichtesten an die Wikingerburg herankommen konnten, erhielt diese die stärkste Besatzung. Die Frauen aber wurden nicht untätig auf der sicheren Niederburg, sondern haben die kämpfenden Männer nach Kräften unterstützt. Sie brachten ihnen Lebensmittel und Wasser, verbanden ihre Wunden und erwiesen ihnen andere Liebesdienste. Dabei sind sie oft, selbst gegen Überfälle durch feindliche Späher gewappnet, den jetzt noch bestehenden uralten Weg zwischen der Niederburg und der Wikinger Burg hin- und hergewandert. Klingt es nun nicht wie eine Rückerinnerung an jene ferne Zeit, wenn heute noch in Ferschweiler die Sage geht, auf jenem Wege wandere von Burg zu Burg eine Frau, die einen eisernen Mantel trage? Viele Wanderer wollen sie bei Nacht und selbst am Tage gesehen haben.“

Mit allerlei wilhelminischen Schnörkeln und, wie der Autor bemerkt, einem „leichten Schmunzeln in seinen Mundwinkeln“ erzählte ein Herr Reuter aus Ferschweiler in den 1940er-Jahren Lehrer Schneider von einer Begebenheit nahe der Niederburg, die er als Junge erlebt haben will: „Eine weiße Gestalt kam mitten auf dem Weg auf uns zu. In der einen Hand trug sie einen leeren Henkelkorb, in der anderen einen Krug. Wegen des Nebels hatten wir sie erst so spät gesehen, dass sie jetzt auch schon dicht vor uns stand. Ehe mein Vater die Pferde zur Seite lenken konnte, schritt sie einfach zwischen den Pferden und durch den beladenen Wagen hindurch, als sei er gar nicht da. Und genau so schnell, wie sie vor uns im Nebel aufgetaucht war, verschwand sie hinter uns wieder. Keiner von uns sprach ein Wort. Vater ließ die Pferde schneller gehen und ich schaute immer wieder hinter mich (...) Erst Tage später erzählte mir mein Vater die Geschichte von der untreuen und faulen Soldatenfrau. Sie wohnte mit ihren Eltern und ihrem Mann in der Vorburg. Als dann ihr Mann zur Verteidigung an die Befestigung der Wikingerburg abkommandiert worden war, hatte sie den Auftrag, ihn jeden Morgen mit der Verpflegung für den ganzen Tag zu versorgen. Das mussten alle Frauen so tun und dabei gingen sie schon in der Dunkelheit los, denn da hatten die Feinde mit ihren Steinschleudern noch keine Ziele vor sich. Später schossen sie auf diesen Weg, um den Nachschub zu blockieren, wenn nicht gar zu verhindern. Unsere Frau soll diesen Auftrag nicht so genau genommen haben. So früh schon aufzustehen, das schien sie nicht zu mögen. Da sie auch noch keine der Schnellsten war, geriet sie so in feindlichen Steinhagel und wurde erschlagen. Da sie also schuldhaft ums Leben gekommen war, muss sie bis heute noch täglich sehr früh, wie es sich gehörte, den Weg von der Niederburg bis zur Wikingerburg und zurück gehen. Und so kann es sein, dass sie ab und zu bei dieser Wanderung gesehen wird. Sie kann niemandem etwas tun. Sie ist aber auch nicht aufzuhalten. Deshalb brauchen Sie sich, falls sie ihnen einmal begegnen sollte, auch nicht zu fürchten.“ (Schneider 270)

Eine zweite Fundkonzentration ist im nordwestlichen Bereich des Ferschweiler Plateaus gegeben – zwischen der zweiten Festungsanlage „Wikingerburg“ und dem Bollendorfer Druidenstein. Diese ist insgesamt älter und sehr viel schwerer interpretierbar als der Bereich um die Niederburg; ein inhaltlicher Zusammenhang wird nur teilweise ersichtlich. Außer dem Druidenstein befinden sich hier ein weiteres Menhirpaar, ein möglicher Menhir sowie das bekannte Fraubillenkreuz als Zeugen der jungsteinzeitlichen Megalithkultur. Aus der Hügelgräberbronzezeit stammt eine bereits im 19. Jahrhundert entdeckte (und entsprechend stark zerstörte) Nekropole im Wald südlich der Wallanlage. Die Wikingerburg selbst ist vermutlich urnenfelderzeitlichen Alters. Ferner gehört wahrscheinlich der Felsen Ritschlay mit seinen seltsamen Schleifspuren, unterhalb des Druidensteins in Richtung Bollendorf gelegen, in die Bronzezeit.


Ritschlay bei Bollendorf

Wenn man von Bollendorf aus mit dem Wanderweg 33 zum Plateau hochsteigt, gelangt man unterhalb der Hangkante, ganz in der Nähe von Wolfsschlucht und Druidenstein, zum Felsen Ritschlay (von rutschen), der merkwürdige, offenbar artifizielle hangabwärts führende Schleifrillen aufweist. Über diese Spuren von annähernd rechteckigem Profil, die wir ähnlich auch in der Kleinen Luxemburger Schweiz bei Consdorf sowie im Prümtal finden, wurde schon viel spekuliert. Eine plausible Erklärung liefert eine Theorie aus den 1930er-Jahren: „Danach könnte es sich bei diesen Vertiefungen um Schmelzausläufe aus Lehmöfen handeln, in denen in vorchristlicher Zeit Bronze hergestellt wurde. Die Lage am Plateaurand erhärtet die These, denn in der keltischen Latène-Zeit nutzten die Bronzehersteller die dort auftretenden Luftströme, um die Holzkohleglut in ihren aus Lehm gebauten ‚Windöfen’ zu unterhalten. Ist der Schmelzvorgang beendet, öffnet man den Ofen und lässt die flüssige Bronze durch Rinnen in vorgefertigte Hohlformen fließen. Die Tatsache, dass sich innerhalb und beiderseits der steinernen Rinnen, wie auf den übrigen Steinpartien üblich, weder Moose noch Flechten ansiedeln, lässt diesen Schluss (nach Überzeugung d. Verf.) durchaus zu. Aus der Bauchemie ist bekannt, dass Kupfersulfat ein gängiges Mittel ist, um Moos- und Algenbildung auf Mauern und Dächern zu verhindern.“ (Siewers 32)


Menhire, Druidenstein und Fraubillenkreuz

Menhire, bei uns eher als Hinkelstein bekannt, sind aufrecht stehende, oft tonnenschwere Monolithsäulen aus verschiedenen Gesteinen, in der Eifel meist Sandstein. Sie können eckig, rund, unregelmäßig oder menschenförmig sein, Alleen oder Kreise bilden und sind neben den Großsteingräbern kennzeichnend für die jungsteinzeitliche Megalithkultur. Rund um das Ferschweiler Plateau sollen ursprünglich einmal acht Langsteine gestanden haben, Tranchot erwähnt fünf. Heute sind sechs eindeutige Menhire, darunter ein Paar, ein fragliches Exemplar sowie ein mittlerweile als Naturdenkmal klassifizierter Stein zu sehen, die sich über die Westhälfte des Plateaus verteilen.

Der stattliche Menhir Druidenstein misst heute noch 2,90 m in der Höhe und ist annähernd rechteckig. Oben ist der Quader aus heimischem Liassandstein etwas breiter als unten. Seine Oberfläche wurde sorgfältig bearbeitet. Zu bedenken ist hierbei, dass der Stein irgendwann einmal in seiner Form verändert worden ist. Der Überlieferung nach hat ihn im 7. Jahrhundert der hl. Willibrord persönlich gekürzt und eine Heiligenfigur obenauf gesetzt. Der Druidenstein befindet sich oberhalb von Bollendorf, ca. 500 m südlich des bekannteren Fraubillenkreuzes am Waldrand. Die Namensgebung rührt wohl aus der Zeit, als man die Steinsetzungen den Kelten zugeschrieben hat. Da man den Menhiren magische Kräfte zuschrieb und die Druiden als eine Art Zauberer kannte, lag eine solche volkstümliche Deutung nahe. Der Stein wird gelegentlich auch Eckstein genannt und diente wie viele Menhire früher als Flurbegrenzung. Offensichtlich stand der Stein mit dem Mond und der Liebe in Beziehung: Ein Liebespaar, welches bei Vollmond um Mitternacht einen silbernen Löffel am Fuß des Druidensteins vergräbt, dessen Liebe soll ewig halten.

Das christianisierte Denkmal Fraubillenkreuz stammt ursprünglich aus dem 3.–2. Jahrtausend v.u.Z. und ist der bekannteste Menhir des Ferschweiler Plateaus. Genau auf der Grenze zwischen den Gemarkungen Bollendorf und Nusbaum stehend, fungierte der Langstein jahrhundertelang als Grenzmarkierung und war dadurch vor Zerstörung geschützt. Das Kreuz der Frau Billa steht an einer Wegkreuzung im Wald südlich der Wikingerburg. Heute steht der Monolith aus heimischem Liassandstein schief geneigt und hat eine eigentümlich bauchige Kreuzform. Im unteren Bereich befindet sich eine Vertiefung, die als Nabel oder auch als Vulva gedeutet werden kann. Oben finden wir etwa in der Mitte des heutigen Kreuzes beidseitig rechteckige Nischen mit kleinen Löchern rundherum. Vermutlich enthielten diese einmal Heiligenbilder und waren von einem Gitter oder einer Scheibe bedeckt. Aus einiger Entfernung betrachtet, ähnelt der Stein einer tanzenden Frau mit breiten Hüften, rituell erhobenen Armen und einem deutlich sichtbaren Schoßdreieck.

Gelegentlich findet sich eine auf den ersten Blick einleuchtende Ableitung des Wortes „Fraubillenkreuz“ aus „Unserer lieben Frau Bildkreuz“. Sie geht davon aus, dass eine der Kreuznischen in alter christlicher Zeit einmal ein Marienbild barg. In einem neueren Dokumentarfilm scheint eine solche Bildernische gar vom Missionar Willibrord und seinen Getreuen in die vulvenartige Vertiefung hineinmontiert. Etymologisch ist die Ableitung fragwürdig.

Aussagekräftiger ist die alte, bis ins 17. Jahrhundert hinein gebräuchliche Bezeichnung „Sybillencreutze“: Sybille war eine weise alte Seherin der klassischen Antike und lässt sich in Beziehung setzen zur dreigestaltigen großen Göttin der Vorzeit in ihrem Aspekt als alte, schicksalsgestaltende Spinnerin, weise Frau und Herrin über Leben und Tod. Die Sage, dass im Stein eine Frau sitzt und spinnt, unterstützt diese Deutung.

Passmann deutet den Stein als Göttinrepräsentation, hat aber eher die fruchtbar-nährende Erscheinungsform der Triade im Blick. Er leitet den Namen aus der protokeltischen Wurzel Bel „schwellen, schwanger sein, Bauch, bauchig“ ab (vgl. engl. belly).

Die Sage erzählt, dass in dem Fraubillenkreuz eine Frau spinne. Um die Mittagszeit soll man das Surren der Spindel hören können, wenn man das Ohr dicht an den Stein legt. Ob hier der Ursprung der Spinnweben spinnenden Maria von der gar nicht weit entfernten Schankweiler Klause liegt? Eine andere Sage berichtet von einer uralten Frau, die den ausgedehnten Wald schon siebenmal verschwinden und wieder kommen sah, und zwischen Fraubillenkreuz und der Niederburg einhergeht. Von den Römern wissen wir, dass es an Wegkreuzungen nachts oft nicht geheuer war. Dort war Trivia, ein Beiname der Hekate, beheimatet.

Der Vollständigkeit und des Gesamteindrucks wegen ist die Darstellung dreier relativ unbekannter Steine geboten. Ein Menhirpaar wurde unweit des Fraubillenkreuzes ausgemacht. Es besteht aus zwei sehr sorgfältig modellierten Steinen: einem ca. 2 m hohen rundkonischen Exemplar und einem 4 m x 1,70 m großen blattförmigen Langstein, der vermutlich umgefallen ist und dabei zerbrach. Beide sind aus Sandstein der Umgebung. Am stehenden Stein finden sich neben rezenten Marken auch alte, nicht näher datierte, gravierte Linien und Näpfchen, die indes auch eine natürliche Ursache haben könnten.

Ganz in der Nähe liegt ein weiterer möglicher Menhir: Im Wald zwischen Fraubillenkreuz und der prähistorischen Wallanlage Wikingerburg befindet sich ein umgestürzter Block aus Liassandstein, der zwar ortsüblich ist, in der unmittelbaren Umgebung des Steins jedoch nicht ansteht. Also muss auch dieser Stein einst von Menschenhand platziert worden sein.


Hügelgräber und Wikingerburg

Am Fuße der Befestigung „Wikingerburg“ und damit zugleich am Rande der flach auslaufenden Nusbaumer Hardt wurde im 19. Jahrhundert ein großes Hügelgräberfeld aus der Bronzezeit entdeckt. Es ist durch Grabräuber, Land- und Forstwirtschaft stark beschädigt, doch seine Überreste lassen sich noch gut im Wald entdecken. Die in Gruppen zusammenliegenden Grabhügel sind rundlich und unterschiedlich groß, es handelt sich um Einzelgräber einer anscheinend wohlhabenden Bevölkerungsgruppe. Die in den Gräbern enthaltene Keramik ermöglicht eine Datierung in die jüngere Bronzezeit. Aus neueren archäologischen Prospektionen liegen Hinweise vor, dass ganz in der Nähe eine bronzezeitliche Siedlung bestanden hat. Das Vorhandensein der Gräber spricht ebenso dafür wie die benachbarte Festungsanlage.

Nun zur bronzezeitlichen Wallanlage Wikingerburg: Die Nusbaumer Hardt ist die einzige Stelle, an der das Ferschweiler Plateau einigermaßen flach ausläuft und somit ohne Mühe zu erreichen gewesen wäre. An dieser Stelle errichteten Menschen der Bronzezeit eine gewaltige Wallanlage, vermutlich um den Zugang zur Hochebene abzusichern. Heute erkennt man einen hohen Steinwall, der an den Seiten zur Hochfläche hin hufeisenförmig einbiegt und gegen den Hang hin ausläuft. Darunter befand sich ein verbranntes Bauwerk aus Holz, Erde und Steinen, vermutlich in der Art eines „murus gallicus“ errichtet. Diesen ersten Bau datierten Archäologen in die Urnenfelder-Bronzezeit; er ist also vor rund 3000 Jahren errichtet worden. Im Inneren der über 100 m langen Anlage befindet sich eine rechteckige Erhöhung von 30 m x 22 m, deren Bedeutung noch nicht bekannt ist. Zusammen mit dem nahegelegenen, ebenfalls urnenfelderzeitlichen Gräberfeld deutet die Wallanlage auf eine bronzezeitliche Siedlung hin, von der allerdings noch nichts gefunden wurde.


Ein vorchristliches Kultzentrum?

Ist somit das Ferschweiler Plateau ein vorchristliches Kultzentrum? Aufgrund der Dichte an thematisch verwandt scheinenden Funden und der Sagen und Mythen im Bereich der Niederburg liegt es nahe, in diesem Gebiet ein kultisch-magisches Zentrum der Plateaubewohner, womöglich der Großen Göttin in ihrem Bärinnen-, Wildsau- und Wildheitsaspekt geweiht, zu vermuten. Hier gilt es, besonders genau hinzusehen, um nicht tatsächliche Befunde mit bloßen Vermutungen und Idealisierungen zu verwechseln, denn leider sind nicht alle Artefakte eindeutig interpretierbar.

Hinsichtlich Artio und Arduinna ist die Fundsituation äußerst dürftig. Bestimmte, immer wieder herangezogene Attribute wie Arduinnas Schwein lassen sich bisher nicht eindeutig verifizieren, da schriftliche Zeugnisse fehlen. Schade eigentlich, denn es würde so gut zu der Ortbezeichnung „Schweineställe“ (mundartlich „Schweijstääl“) passen, da dort auch die Artio-Inschrift zu finden ist. Weitgehend akzeptiert ist der Umstand, dass die einheimische Arduinna in der gallo-römischen Kultur durch Diana im Sinne der Interpretatio romana ersetzt und dabei von ihrem Wesen her romanisiert wurde.

Der Bärenstein oder Opferaltar samt seiner „Blutrinne“ und schalenförmigen Vertiefung an der Oberseite gilt in der offiziellen Forschung zwischenzeitlich als Naturdenkmal. Aufgrund der Verwitterungseigenschaften des Liassandsteins ist diese Annahme vertretbar. Nichts spricht indes dagegen, dass ein natürlich entstandenes Denkmal kultisch genutzt und religiös interpretiert wurde. Außerdem ist aufgrund eben jener Witterungseinflüsse und der Materialeigenschaften des Sandsteins heute nicht mehr eindeutig feststellbar, ob die rundlichen Formen künstlich eingetieft wurden oder nicht.

Die Sage von Scholtesmännchen und Heidengretchen wurde in den 1940er-Jahren aufgeschrieben. Hier ist die Möglichkeit einer verfälschten Überlieferung gleich zweifach gegeben: Einerseits mag der Autor oder seine Gewährsperson den kargen Sagenstoff bewusst oder unbewusst an die angenommenen historischen Vorbilder angeglichen haben, andererseits kann bereits in sehr viel früherer Zeit ein klassisch-antiker Stoff – Artemis-Aktaion bzw. Aphrodite-Attis – mit einer einheimischen Sage (wilder Jäger) und einer christlichen Legende (Margaretha) durcheinander geraten sein. Da sich die Story gut anhört, wurde sie so weiter erzählt.

Nicht zuletzt entstammen die Denkmäler völlig unterschiedlichen Zeiten und Kulturen. Eine Weiternutzung vorhandener Kultstätten durch Kelten, Römer und später Christen ist zwar nicht ungewöhnlich. Hoffte man doch auf diese Weise, den Altgläubigen den Zugang zur neuen Religion zu erleichtern und gleichzeitig nach dem Motto – wer weiß, wofür es gut ist – die eventuell doch vorhandene Wirkmacht der alten Götter einzufangen. Dennoch müssen wir uns natürlich fragen, inwieweit eine inhaltliche Kontinuität über die Jahrtausende wahrscheinlich oder überhaupt möglich ist.

Landschaftsmythologisch ist der Bereich interessant wegen zahlreicher unmittelbar benachbarter Monumente, Sagen und mystischen Geschichten aus verschiedenen Zeitaltern und zu ganz unterschiedlichen Zwecken errichtet, die sich dennoch miteinander in Beziehung bringen lassen: Rund um die Niederburg ist die Fundkonzentration besonders hoch. Dies kann bedeuten, dass sich hier ein besonders wichtiger Teil des Alltagslebens der PlateaubewohnerInnen abgespielt hat. Die erschlossenen Denkmäler im beschriebenen Bereich sind mit Ausnahme der eigentlichen Wallanlage sakralen Charakters und enthalten mehrfach Hinweise auf Bär/Bärin sowie auf eine machtvolle Göttin, der jeweils ein oder mehrere wilde Tiere, darunter wiederum Bär/Bärin, zugeordnet sind. Eine religiös-kulturelle Tradition über die Jahrhunderte und die verschiedenen Kulturen hinweg ist nicht beweisbar, aber auch nicht ausgeschlossen.

Andererseits sind noch nicht alle Befunde und Hinweise ausgewertet worden. So zum Beispiel der Intarabustempel von Ernzen. Am nördlichen Ortsrand wurden bei Bauarbeiten 1964 Fundamentblöcke und Architekturteile eines Weihedenkmals entdeckt, die in das Rheinische Landesmuseum Trier überführt wurden. Aus den Bruchstücken wurde eine dem treverischen Mars Intarabus geweihte Stätte rekonstruiert. Die Bauweise ist bis heute umstritten, doch sind große Teil der Inschrift erhalten geblieben. Über Intarabus selbst wissen wir nur wenig. Das Landesmuseum Trier schreibt dazu: „Die keltisch-treverische Gottheit wird mit dem italischen Mars identifiziert.“ (Faust et al. 102) Hier liegt also eine Verschmelzung von alten einheimischen mit neuen römischen Göttern vor, wie wir sie im gallo-römischen Bereich häufig beobachten können. Angerufen wurde Mars lntarabus als Schützer der Felder und der Landwirtschaft.

Erwähnt seien auch die sogenannten Brandgräber bei Holsthum, zwei nahe beieinanderliegende gallorömische Gräberfelder aus dem 2. Jahrhundert n.u.Z. Die nördliche, größere Fundstelle besteht sowohl aus Kisten- wie auch aus Plattengräbern mit unterschiedlichen Abdeckungen, darunter hausdachförmige sogenannte Hüttengrabsteine, ein Pyramidendach mit abgestumpfter Spitze und ein Obelisk. Die kleinere, südliche Fundstelle besteht ebenfalls aus Kisten- und Plattengräbern, die Abdeckungen sind hier nicht erhalten.

Doch nicht nur im Bereich der Archäologie, sondern ebenso in der Sagenforschung ist noch lange nicht alles ausgewertet. So soll zwischen Bollendorf und Wallendorf das weiße Molbermädchen (Heidelbeermädchen) in der Heidelbeerzeit gesehen worden sein. Ein Straßenmeister Felten habe dort eine Juffer kommen gesehen und zunächst für die Haushälterin des Pastors gehalten. Er glaubt, sie habe sich verlaufen und geht auf sie zu, um ihr den Weg zu zeigen: „Da sieht er, das die Heide unter ihren Füßen nicht gejuckelt (gewackelt) hat. Da lief er weg.“ (Zender Nr. 1522) Das geheimnisvolle Mädchen erscheine alle fünf oder sieben Jahre, um erlöst zu werden, als Schlange mit einem Schlüssel im Maul. Bei einem Born bei Kruchten, am Rand der Nusbaumer Hardt, soll das verwünschte „Lamichsmarechen“ hausen. Im Winter habe sie sich im weißen Kleid gezeigt. In Tommeschent bei Ferschweiler wiederum reite ein großes weißes Mädchen durch die Luft – durch die Arnsbach bis bei zwei Eschen. (Zender Nr. 1526) Und im Heidebaumsmoor bei Ferschweiler sollen Glocken versunken sein, die man oft läuten gehört habe. Hier ging auch eine weiße Frau – andere sagen eine „Hexe“ – um, diese war ebenfalls weiß. (Zender 200).

Über die vorchristlichen Bestattungsriten machten sich die Menschen recht eigentümliche Vorstellungen: Bei Bollendorf war beispielsweise die Sage vom „Heidenmattes“ beheimatet, einem noch heidnischen Sandverkäufer. Er soll mit seiner Familie in einer Höhle im Felsen Heidenley gelebt haben und dort auch lebendig begraben worden sein. (Zender Nr. 10) Zur Entstehung dieses Motivs vom Lebendigbegrabenwerden dürften neben den vielen verschiedenen Grabfunden auch die bizarren, mitunter an Knochen oder Skelette gemahnenden Felsformationen des Plateaus beigetragen haben.

Am Fraubillenkreuz, am Hunnenkopf und am „Kiniksbesch bei der Dianafels“ glaubte man, das „Goldene Kalb“ – also einen großen Schatz – zu finden. In der Gemäneley bei Bollendorf standen drei Fässer mit Geld, auf denen liegt ein schwerer Hund. Die Hütejungen, die das entdeckt hatten, wurden jedoch fortgelockt: „Da laufen sie raus und die Ley fliegt zu.“ (Zender Nr. 369) Das Motiv ist aus zahlreichen Märchen, z.B. „Simeliberg“ von den Brüdern Grimm, bekannt.

Judith Mies


Die Texte sind dem Buch: "Magische Eifel - Reisen zu mythischen Orten"
von Judith Mies entnommen.
www.arduinna.de