Region 3
Lüneburger Heide, Weserbergland, Harz

Die Teufelsmauer

Von Blankenburg über die Drei Nonnen bis zu den Gegensteinen
Daniela Parr


Die Teufelsmauer dürfte eine der bekanntesten Felsformationen im Harz sein. Ein zwanzig Kilometer langer Wanderweg zieht sich von Blankenburg bis zu den Gegensteinen bei Ballenstedt an dem stellenweise unterbrochenen kleinen Höhenzug mit dem interessanten Namen entlang. Die Teufelsmauer ist in der Kreidezeit entstanden, als das Gestein, das später die Harzregion bildete, nach oben gepresst wurde. Es ist gut erkennbar, dass der untere Teil des Sandsteins in einem ruhigen Gewässer entstanden ist, während der obere Teil seine Entstehung der Brandung verdankt. Aufgrund des teuflischen Namens bin ich mir sicher, dass es sich um einen alten Kult- und Ritualplatz unserer Ahninnen handelt.

Am ersten Tag meiner Harz-Reise bin ich mit Wolfgang Schneider, einem bundesweit aktiven Geomanten verabredet, der im Harz seine Heimat hat. Er möchte mir Teile der Teufelsmauer und die Felsformation "Drei Nonnen" zeigen, die von Blankenburg aus erwandert werden können.

Wir treffen uns in der Nähe des Naturfräundinnenhauses in Blankenburg in einer Straße, die den malerischen Namen "Heidelberg" trägt. Auch dieser Name deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass wir auf dem Weg zu einem alten Kultplatz sind: zum Berg der Heiden.

Der  Wanderweg, der uns entlang der Teufelsmauer führt, startet gleich vorn an der Straße. Sein Eingang ist unübersehbar durch ein großes hübsches Holzschild mit der Aufschrift "Teufelsmauer" gekennzeichnet.

Großmutter und Großvater

Die ersten beiden Felsformationen nach dem Anstieg tragen die Namen "Großmutter" und "Großvater". Wir passieren zuerst den Großmutterfelsen. Es wirkt, als ob die Großmutter still am Wegesrand steht und die ersten Sonnenstrahlen des Tages erwartet. Ihr gegenüber steht der Großvaterfelsen, der sich dunkel von dem hellen Gestein darunter abhebt. Wolfgang Schneider zeigt mir die in den Stein gehauenen Stufen, die dort hinaufführen.

Oben angekommen fällt mein Blick als Erstes auf die großen und kleinen Schalen unterhalb des Felsens. Die Vertiefungen bestehen aus einem helleren Gestein. Sie sind mit Wasser gefüllt, in dem die Morgensonne verspielt glitzert: ein malerischer Steingarten. Es heißt, dass diese Becken natürlichen Ursprungs seien. Da die Rundungen ziemlich exakt sind, gehe ich allerdings von einer nachträglichen Bearbeitung der schon vorhandenen Löcher aus.

         

Der folgende Weg führt uns genau auf dem Kamm der Teufelsmauer entlang. An einigen Stellen ist gut erkennbar, dass die Felsformation sehr hoch ist. Trotzdem fühlt es sich an wie ein Spaziergang auf ebener Erde. Die Höhe ist nicht wirklich spürbar, da der Weg zwischen den sich auftürmenden Felsen der Teufelsmauer auf der einen und sehr hohen Bäumen auf der anderen Seite verläuft.

An einigen Stellen zweigen Ausläufer vom Hauptweg zur Seite ab und führen zu interessanten Aussichtspunkten auf Blankenburg und das nördliche Harzvorland. Teilweise wurden Treppenstufen in den Stein geschlagen, um die seitlichen Felsen besser begehbar zu machen. Hier und da stehen einzelne Steine am Rande des Weges herum. Einer von ihnen wirkt wie eine Wächterin mit einem Gesicht. Ein Stückchen weiter liegen eine ganze Menge Felsbrocken an einem Hang. Sie sehen so aus, als ob sie im Laufe der Jahre dort hinunter gerutscht sind. An manchen Stellen ist deutlich erkennbar, dass diese Felsformation vor Millionen von Jahren unter Wasser gelegen haben muss. Die Struktur erinnert teilweise an zerklüftete Riffe. In anderen Bereichen sind die Steine ganz glatt. Diese wurden vermutlich vom sandigen Meerwasser über Jahrtausende geschliffen.

                  

Wir passieren weitere Nischen und in den Fels gehauene Aussichtspunkte. Schließlich lassen wir uns unter einem Abri nieder und lauschen. Da wir absolut still sitzen, kommt ein neugieriges Eichhörnchen ohne Scheu ganz nah heran. Das Eichhörnchen schaut uns an, wir schauen das Eichhörnchen an.

An einem Stein entdecke ich eine Ritzung in der Form eines gleichschenkligen Kreuzes. Seine vier Eckpunkte stehen in der alten Tradition für die vier Himmelsrichtungen und damit auch für die Sonne und ihren Lauf durch die vier Jahreszeiten. Es ist für uns beide allerdings schlecht einzuschätzen, ob dieses Zeichen erst in neuerer Zeit angebracht wurde oder bereits von unseren Ur-Ahninnen stammt.

Gewittergrotte

Als der Kammweg endet, treffen mehrere Wanderwege zusammen. Eine Felsformation trägt die Bezeichnung "Gewittergrotte". Dort lädt eine Bank zum Verweilen ein.

Am Felsen entdecken wir Löcher und rillenförmige Abriebspuren. Teile des recht harten Gesteins wurden in mühevoller Handarbeit abgeschabt. Wolfgang Schneider vermutet, dass dieser Abrieb als Heilmittel bei bestimmten Krankheiten diente. Auch im Taubertal hat uns Claudia Lodders erzählt, dass Steinabrieb in früheren Zeiten als gängiges Heilmittel galt und mit Wasser eingenommen wurde.

Fuchsbau

Kurz darauf stehen wir vor dem sogenannten Fuchsbau. Ein paar Stufen führen in einen Raum mit einem Rundbogen als Fenster hinunter.

Die Decke wurde von einem Maler mit einem Vogel auf einem Ast bemalt. Darunter findet sich der Sinnspruch: "Der Vogel, der auf dem Zweig sitzt, hält Himmel und Erde zusammen". Unterschrieben ist die Zeichnung mit "T. Tsulio".


Drei Nonnen/ Hamburger Wappen


Nach einer weiteren Steigung erreichen wir eine Felsformation, die aus drei miteinander verbundenen Felsen besteht. Sie wird in der Literatur als "Drei Nonnen" bezeichnet. Obwohl ich bereits Fotos davon gesehen habe, bin ich überwältigt. Nun verstehe ich, warum die Felsen auch den Namen "Hamburger Wappen" tragen. Sie erinnern tatsächlich an die drei Türme, die im Hamburger Stadtwappen abgebildet sind.

Wolfgang Schneider deutet die Dreiheit der Felsen als "Die drei Nornen". In dem Moment fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Die drei Schicksalsgöttinnen (Nornen) als Namensgeberinnen gefallen mir bei weitem besser als die verchristlichte Version.

Eine der drei Nornen blickt zurück, eine verweilt in der Gegenwart und eine von ihnen blickt in die Zukunft. Genau wie die drei Steinfrauen, die hier vor uns stehen. Ihre Qualitäten sind an den einzelnen Felsen deutlich zu spüren und auch zu unterscheiden.

Gleich gegenüber, am Ende eines Steinplateaus, liegt der Eingang in eine sogenannte Durchgangshöhle. Sie ist mit Einritzungen von Buchstaben, einem Totenkopf und anderen Symbolen "verziert". Die Höhle wird offensichtlich von Jugendlichen aus der Umgebung intensiv für Partys genutzt. Daher ist es leider schwer zu sagen, welche Ritzungen aus früheren Zeiten stammen bzw. ob überhaupt noch ursprüngliche Zeichen vorhanden sind.

Auf der anderen Seite des Durchgangs machen wir es uns in einer balkonartigen Nische bequem und packen unseren mitgebrachten Imbiss aus. Der Ausblick übers Land ist phänomenal. Von links grüßen uns die Drei Nornen. Auch dieser hintere Teil der Teufelsmauer ermöglicht einen guten Blick auf die langgestreckte Ebene in Richtung Halberstadt.

Wolfgang Schneider spricht von einem "Ort der Zukunft". Dieser Platz eignet sich tatsächlich gut als Visionssitz. Sicherlich lassen sich beim Meditieren mit diesem Weitblick richtungsweisende Ideen für die Zukunft entwickeln.

Auf dem Rückweg laufen wir unterhalb der Teufelsmauer entlang und können sie so noch einmal aus einer anderen Perspektive betrachten. Die Strecke verläuft allerdings überwiegend im Wald und gibt nur ab und zu einen Blick auf die hoch aufragenden Felsen frei.

Kurz bevor wir unseren Startpunkt erreichen, entdecken wir eine in den Felsen gemauerte Grotte, an deren Innenwänden eine steinerne Sitzbank entlangläuft. Als wir uns genauer umschauen, finden wir zwei parallele Rinnen über der Grotte. Wir vermuten, dass auch hier, wie am Regenstein, das Wasser beim Durchfließen energetisiert wird. Am Ende einer jeden Rinnen befindet sich eine Mulde, in der das Wasser mit einem Gefäß aufgefangen werden kann.

Dieser letzte Fund bestärkt uns nochmals darin, dass die Teufelsmauer auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil der Kraft- und Kultplatzregion dieser Gegend ist.


Weddersleben


Einen weiteren Teil der Teufelsmauer erkunde ich an einem anderen Tag allein. Ich erreiche die sogenannten Mittelsteine in der Nähe des Dörfchens Weddersleben bei strahlendem Sonnenschein. Sie können von einem Parkplatz aus über eine Treppe schnell erreicht werden. Sie tragen außerdem den idyllischen Namen "Adlersklippen". Ich kann mir gut vorstellen, dass Adlerinnen sich gern auf dieser mächtigen Felsformation mit dem berauschenden Fernblick niederlassen, um sich auszuruhen.

         

Zum Schutz der Mittelsteine wurden diese durch einen Holzzaun vom Wanderweg getrennt. Dadurch soll das weitere Absplittern von Steinstücken vermieden werden. Auch hier haben früher viele Menschen ihre Namen bzw. Initialen in den weichen Sandstein eingekratzt. Diese Beschädigungen sind stellenweise noch gut zu sehen. Da heutzutage niemand mehr direkt an den Steinen herumläuft, haben sich Heidekraut und Silbergras angesiedelt. Diese bilden einen hübschen farblichen Kontrast zu den eher dunklen Steinen.

Links des Pfades weiden Schafe und Ziegen auf einem eingezäunten Grundstück. Die Ziegen sind besonders keck. Ich ertappe sie dabei, wie sie sich auf die Hinterbeine stellen, um auch noch die letzten Blätter der hintersten Hecke am Rande des Zaunes zu erwischen. Sie lassen sich dabei von mir nicht im Geringsten stören.
      
Die Nachmittagssonne taucht die Mittelsteine in ein goldgelb leuchtendes Licht. Durch die starke Sonneneinstrahlung ist es auch jetzt im September noch sehr warm. Vom Aussichtsplateau aus schweift mein Blick über Weddersleben hinweg und weit übers Land.

                

Die Felstürme um mich herum wirken, als wären sie aus aufeinandergestapelten Blöcken zusammengesetzt. Aber auch wenn hier und dort Hohlräume und Löcher zwischen den einzelnen Steinen aufscheinen, sind sie alle fest miteinander verbunden. Die große Steinahnin gleich neben der Aussichtsplattform blickt von hier oben über ihr Land: ein schöner Gedanke, dass die schützende Göttin dort sitzt und die Fäden in der Hand hält.

    



Gegensteine bei Ballenstedt

Den östlichsten Ausläufer der Teufelsmauer bilden die Gegensteine bei Ballenstedt. Sie bestehen aus zwei Sandsteinformationen - dem Großen und dem Kleinen Gegenstein - die zirka 500 Meter voneinander entfernt liegen.

Schon von weitem kann ich den massiven Felsblock des Großen Gegensteins auf der Anhöhe liegen sehen. Er wurde durch eine Treppe begehbar gemacht. Auch auf diesem Aussichtsplateau lassen sich die Kräfte von Mutter Natur sehr gut erspüren. Frau Wind fegt ungestüm in meinen Haaren herum und vertreibt sich gelegentlich ihre Zeit mit Frau Regen.

Neben dem gut verankerten Gipfelkreuz wächst an der Seite unbeirrt ein großer Hagebuttenstrauch auf dem Felsen. Die Humusschicht auf dem Gestein beträgt nur wenige Millimeter. Es verwundert mich immer wieder, auf welch kargem Untergrund Bäume und Sträucher gedeihen. Die roten Früchte der Hagebutte bilden einen wunderbaren Kontrast zu dem dunklen Sandstein der Gegensteine.

                  

Der Kleine Gegenstein liegt ebenfalls auf einer Anhöhe. Er ist, wie der Name schon sagt, etwas niedriger als der Große Gegenstein. Von weitem wirkt es, als ob er in der Mitte in zwei Teile gespalten ist. Bei Betrachtung aus der Nähe sind die Felsen allerdings durch einen Mittelsteg miteinander verbunden. Der Kleine Gegenstein hat keine Aussichtsplattform. An den weniger steilen Abschnitten ist es jedoch möglich, ihn ein Stück weit zu erklettern. Bei meinem Besuch wird gerade auf der Schieß- und Motorsportanlage direkt neben den Felsformationen trainiert, so dass ich mich nicht allzu lange dort aufhalte.

Rund um die Gegensteine wurden bronzezeitliche Siedlungen gefunden. Die Überreste der Wälle sind teilweise noch heute zu erkennen. Da nachfolgende Kulturen oft auf den Plätzen der Vorfahrinnen gebaut haben, kann davon ausgegangen werden, dass diese Gegend auch schon von unseren Ahninnen in der Jungsteinzeit besiedelt war. Leider gibt es aus dieser Zeit keine Ausgrabungsfunde.

Am östlichen Fuße der Gegensteine wurde außerdem ein umfangreiches Höhlensystem gefunden. Es ist mit Stahltüren verschlossen und kann nicht besichtigt werden. Wissenschaftlerinnen vermuten, dass diese Höhlen sehr alt sind. Von vielen Kulturen ist bekannt, dass sie unter den oberirdischen Kraftplätzen auch Gänge und Höhlensysteme angelegt haben. Über die Nutzung solcher Gänge gibt es viele Vermutungen, aber keine gesicherten Erkenntnisse.

Daniela Parr