Region 3
Lüneburger Heide, Weserbergland, Harz


Benzingerode
Die drei Menhire
von Daniela Parr


Beim Bau der Bundesstraße 6n wurden in der Umgebung von Benzingerode drei Menhire entdeckt. Einer von ihnen steht noch an der ursprünglichen Stelle, die beiden anderen wurden an andere Orte nahe der Bundesstraße versetzt, so dass sie im Vorbeifahren gut zu sehen sind. Ihre Namen erhielten sie nach den nächstgelegenen Ortschaften: Menhir von Benzingerode, Heimburger Menhir und Derenburger Menhir. Trotz der verschiedenen Namen liegen sie relativ nahe beisammen und lassen sich gut auf einem Spaziergang besuchen.

Nicht weit von den Menhiren entfernt wurden ein Langhaus und eine Kreisgrabenanlage gefunden und wiederaufgebaut. Diese sind allerdings nur von den Rastplätzen an der Bundesstraße aus zu besichtigen. Ein Zugang von den Menhiren aus ist nicht möglich, da die Rastplätze rundherum eingezäunt sind.


Menhir von Benzingerode


Der Menhir von Benzingerode steht als einziger noch an seinem ursprünglichen Platz mitten auf einem Acker. Zum Glück ist das Feld Ende September bereits abgeerntet, so dass ich problemfrei zum Stein gelange.

         

Als erstes fällt mir der dichte Bewuchs rund um den Stein auf. Direkt vor dem Menhir sind ein paar Getreidehalme stehen geblieben. Sie erinnern mich an das Todesfest zur Herbst-Tag- und Nachtgleiche. Einige der Halme sind abgeknickt. Das passt gut zur Jahreszeit. Auch mehrere Disteln und ein Pflanze mit großen grünen Blättern schmücken den Stein. Eine Distel steht noch in voller Blüte, eine andere ist schon verdorrt: eine Zeit des Übergangs und des Wandels.

          

Der Menhir ist aus einem sehr dunklem Stein gefertigt und mit schwarzen Adern durchzogen. Für mich ist dies hier ein Platz der schwarzen Göttin, der Göttin des Totenreiches. Ich habe den Eindruck, als ob der Stein um diese Jahreszeit nicht mehr gestört werden möchte. Es fühlt sich für mich so an, als ob er sich schon auf die dunkle Zeit vorbereitet, die jetzt bald kommen wird.


Menhir von Heimburg

Der Menhir von Heimburg steht an einer übersichtlichen Kreuzung an einem Feldweg in der Nähe der B6n. Von der Bundesstraße aus ist im Vorbeifahren gut zu sehen. Zu erreichen ist er allerdings nur über den Feldweg.

Bei näherer Betrachtung sehe ich, dass er aus sehr löchrigem Gestein besteht. An einigen Stellen ist es mit weißen Adern durchzogen. Der Menhir steht auf freiem Feld und vermittelt mir durch seine Einbettung in die Umgebung den Eindruck von großer Weite.

Der Stein selbst strahlt eine große Leichtigkeit und Frische aus. Ich begegne hier der jungen, weißen Göttin in ihrer frühlingshaften Gestalt.



Menhir von Derenburg

         

Obwohl der Weg zum Menhir von Derenburg vom Menhir von Heimburg aus beschildert ist, fällt es mir relativ schwer, ihn auszumachen. Ich laufe einen Feldweg in der Nähe der laut rauschenden Bundesstraße entlang, aber es ist weit und breit kein Stein in Sicht. Als ich bereits wieder umkehren will, entdecke ich ihn in der üppigen Vegetation.

Um zum Menhir zu gelangen springe ich über einen Wassergraben. Dabei versuche ich bestmöglich, den vielen Schnecken auszuweichen, die es sich in dem vom Regen feuchten Springkraut gemütlich gemacht haben. Es schlängeln sich ein paar Pfade durch das frauhohe Kraut, welches um den Stein herum wächst, auf denen er gut zu erreichen ist. Ich bin offensichtlich nicht die einzige, die ihn in dieser Jahreszeit besucht.

Der Menhir besteht aus rötlichem Gestein. Wie die anderen beiden, wird er auch von Adern durchzogen, die in diesem Fall rot sind. Hier finde ich also den Platz der roten Göttin: der Muttergöttin, die alles wachsen lässt. Der wilde Bewuchs drumherum passt phantastisch zu diesem Mutterstein. Hier grünt und sprießt die Natur in überbordender Fülle. Es ist nicht zu übersehen, dass ich mich am Platz der roten Göttin befinde, am Platz der Fruchtbarkeit. Obwohl der Stein versetzt wurde, hat er noch immer eine starke Ausstrahlung.


Langhaus

Bei Bauarbeiten für die Bundesstraße wurde im Jahr 2001 am nördlichen Rastplatz der B6n ein Langhaus aus der frühen Bronzezeit entdeckt und rekonstruiert. Die Außenwände des Hauses werden durch 100 Holzpfosten angedeutet und verdeutlichen die Ausmaße der früheren Wohnbehausung.

         

Ein Schild informiert die Besucherinnen, dass das Langhaus vermutlich von Menschen aus der sogenannten Aunjetitzer Kultur errichtet wurde. Diese war überwiegend in Böhmen beheimatet. Die Funde der Ausgrabung werden der Frühbronzezeit in einem Zeitraum von 2.300 bis 1.500 v. u. Z. zugeordnet. Bei den Ausgrabungen in der Umgebung wurden keinerlei Befestigungs- oder Verteidigungsanlagen gefunden. Es wird daher von einer friedlichen Kultur ausgegangen.

Das ausgegrabene Gebäude ist beinahe exakt in West-Ost-Richtung angelegt und hat eine Länge von 24,7 Meter und eine Breite von 6,5 Metern. Mit einer "Wohnfläche" von 220 Quadratmetern handelt es sich um ein sogenanntes Clanhaus der damaligen Zeit. In solchen Langhäusern lebte üblicherweise die gesamte mütterlicherseits verwandte Sippe mit den Tieren des Clans unter einem Dach zusammen.


Kreisgrabenanlage

Auf dem gegenüberliegenden südlichen Rastplatz kann eine Kreisgrabenanlage besichtigt werden. Bei der Rekonstruktion wurde der Hügel in seiner ursprünglichen Größe in der Mitte aufgehäuft und der rundherum führende Graben wieder angelegt. Die ausgegrabenen Reste von Keramikgegenständen und Utensilien aus Bronze sind heute im Museum in Wernigerode ausgestellt.

Unsere Vorfahren legten Kreisgrabenanlagen an, um wichtige Termine wie Tag- und Nachtgleichen und Sonnenwenden im Jahreslauf exakt zu bestimmen. Auch den Lauf der Gestirne beobachteten sie von dort aus. Dazu wurden in einem kleineren oder größeren Hügel mehrere Holzstämme angebracht, über die der Sonnenauf- und -untergang beobachtet werden konnte.

Daniela Parr