Region 2
Ostseeküste, Mecklenburgische Seenplatte

Die Langsteingräber bei
Grevesmühlen

Megalithanlagen im Everstorfer Forst

von Daniela Parr

Vor circa zehn Jahren haben wir durch Zufall diese Langsteingräber zwischen Schwerin und Wismar entdeckt. Seitdem begegnen sie uns immer wieder in dem einen oder anderen Buch über Kraftplätze. Nun wollen wir sie ein zweites Mal besuchen.

Auch diesmal parken wir auf einem Parkplatz direkt neben der Bundesstraße zwischen Grevesmühlen und Barnekow. Hier befinden sich in nächster Nähe 15 Großsteingräber im Everstorfer Forst. Einem Schild entnehmen wir, dass sie in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die südliche Gruppe liegt direkt an dieser Bundesstraße und besteht aus fünf Gräbern. Die zehn Gräber der nördlichen Gruppe befinden sich etwa 2,5 Kilometer entfernt an der Straße von Hoikendorf nach Grevesmühlen.

Megalithbauten wurden seit dem späten Neolithikum von unseren Vorfahrinnen errichtet. Hier im Everstorfer Forst können vier verschiedene Arten bestaunt werden: Urdolmen, erweiterte Dolmen, Großdolmen und Ganggräber. Diese unterscheiden sich in der Anzahl der Decksteine und der Art der Zugänge.

Um zum ersten Langsteingrab zu gelangen, müssen wir nur die Straße überqueren. Hier liegt das größte und am besten erhaltene Megalithbauwerk der südlichen Gruppe. Von der Bundesstraße aus ist es schon im Vorbeifahren zu sehen. Seine 50 sehr beeindruckenden massiven Steinblöcke umfassen ein 40x10 Meter großes Hünenbett: darin an einer Seite ein imposanter Dolmen mit vier aufliegenden Decksteinen.

Auf einem Schild steht geschrieben: "Ganggrab im Langbett mit großen Umfassungssteinen". Neben einer Grafik, auf der Menschen die Anlage bauen, steht: "Derartige Grabanlagen konnten mit einfachsten Hilfsmitteln in wenigen Monaten gebaut werden." Für uns ist es heute kaum vorstellbar, wie unsere Vorfahrinnen diese schweren Steine an ihre jetzige Stelle gebracht haben. Mit den entsprechenden Seilen zum Bewegen der Steine und durch das Graben tiefer Gruben zum Einbringen der Steine, war dies laut der Zeichnung auf dem Schild offensichtlich machbar.

Auf einem der Schilder lesen wir, dass die Megalithanlagen errichtet wurden, um die Gebeine der Toten einer Siedlungsgemeinschaft bzw. eines Clans im Rahmen von Sekundärbestattungen an einem Ort zusammenzuführen. Dazu wurden die Toten zunächst anderswo begraben. Dann wurde abgewartet, bis nur noch die Knochen übrig blieben. Diese wurden daraufhin exhumiert und in das jeweilige Ganggrab der Sippe gebracht.

Bei genauer Betrachtung des vor uns liegenden Megalithgrabes sind an einem der Steine die Rillen zu erkennen, die beim Abbau im Steinbruch in den Stein gebohrt wurden. Diese Rillen wurden im Winter mit Wasser gefüllt, um das Gestein mit der Kraft des gefrierenden Wassers aus dem Felsen zu sprengen.

Einer der größeren Monolithen erregt unsere Aufmerksamkeit. Wir finden an ihm die eingekratzten Spuren eines Labyrinthes mit drei Umgängen. Das Labyrinth war auch unseren Vorfahrinnen schon als Symbol für Wandel bekannt. Es ist ein Sinnbild für den Lebensweg, den alle Menschen beschreiten. Mal geht es auf dem Weg flüssig voran, mal steht eine Wendung bevor, an der eine andere Richtung eingeschlagen werden muss.

Die drei Umgänge symbolisieren den Wandel von der Tochter zur Mutter und schließlich zur Großmutter. Der Weg durch das Labyrinth führt bis in die Mitte und von dort wieder heraus. Damit werden die Reise ins Jenseits und die Rückkehr in die diesseitige Welt dargestellt. Bei dem auf diesem Stein abgebildeten Labyrinth ist dies besonders bezeichnend dargestellt: Der große Innenkreis erinnert an die Form einer Gebärmutter. Dort ist der Platz für die Verstorbenen. Sie kehren in die Gebärmutter zurück, um von dort im eigenen Clan wiedergeboren zu werden.

Wir umrunden die imposante Anlage. Es ist gut vorstellbar, dass auch hier, wie beim Steintanz von Boitin, bestimmte Steine nach den Sonnen- bzw. Mondaufgängen im Jahresverlauf ausgerichtet sind. Gerade die drei Steine ganz vorn scheinen uns dafür prädestiniert. Das Grab ist der Länge nach fast in Ost-West-Richtung ausgerichtet. Es wäre also durchaus möglich, dass zum Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche der Sonnenaufgang genau zwischen zwei Steinen zu beobachten ist. Leider können wir dies nicht überprüfen, da wir im Mai da sind.

Auf der anderen Seite der Bundesstraße befinden sich zwei weitere Megalithanlagen, die auf einer kleinen Waldlichtung direkt beieinanderliegen. Eine davon ist ein Langsteingrab mit zwei Reihen senkrecht stehender Steine. Bei der Megalithanlage daneben handelt es sich um einen Dolmen, der den malerischen Namen Teufelsbackofen trägt. Im Gegensatz zu den anderen Dolmen dieser Gruppe besitzt er einen Außenkreis aus Steinen: ein wahrhaft magischer Anblick.
                                                         
Zur Südgruppe gehören außerdem zwei Gräber, die sich auf der Seite des Parkplatzes befinden. Eines davon ist ein zerstörter Großdolmen (Foto links), das andere ist ein recht gut erhaltenes großes Ganggrab (Foto rechts), das von einem Kreis aus Fichten gesäumt wird. Wir fragen uns, ob die Bäume von der Försterin absichtlich so gepflanzt wurden. Auf jeden Fall unterstreichen sie die Wirkung der im Kreis liegenden Steine.


Auf unserer Fahrt zur Nordgruppe kommen wir an mehreren Häusern vorbei, die sich an der Straße entlang aufreihen: Wir fahren durch die Ortschaft Barendorf. Ein paar hundert Meter weiter biegen wir links ab und finden schließlich in einem kleinen Waldstück die gesuchten Hügelgräber der Nordgruppe. Hier liegen mehrere verschiedenartige Steingräber unterschiedlicher Bauart auf engstem Raum beisammen.

Eine Schautafel erklärt anschaulich die verschiedenen Arten von Hügelgräbern. Gleich vorn passieren wir ein Hünenbett mit Urdolmen, etwas weiter hinten folgt ein Urdolmen im Rundhügel. Auf den nächsten Metern gesellen sich ein Hünenbett mit einer Kammer und ein Urdolmen mit einem kurzen Gang dazu, dazwischen liegen mehrere zerstörte Dolmen und Hünengräber.
         
             

Alles in allem besteht die Nordgruppe aus zehn Megalithanlagen. Acht davon liegen in einer etwa 300 Meter langen Reihe beinahe in Ost-West-Ausrichtung. Die beiden letzten Gräber befinden sich etwa 900 Meter weiter hinten im Wald. Auf das Schild mit der Abbildung der einzelnen Stationen hat jemand "Nordrichtung 4.000 Jahre v. Chr." geschrieben und sie exakt in der Ausrichtung der Gräber aufgemalt. Es stimmt, dass sich der magnetische Nordpol im Laufe der Zeit immer wieder um einige Kilometer verschoben hat. Zur damaligen Zeit waren die Langsteingräber exakt in Ost-West-Richtung ausgerichtet gewesen.

Daniela Parr
    


Unterscheidung der Megalithanlagen

Allgemeine Bezeichnungen für die verschiedenen Megalithanlagen der Jungsteinzeit gibt es eine ganze Menge. Einige davon lauten:

Langsteingrab/ Langbett/ Großsteingrab
Hünengrab/ Hünenbett
Steinkisten/ Steinkistengräber
Hügelgrab

Diese Megalithanlagen wurden aus Findlingen oder großen Steinen errichtet. Die Steinblöcke sind dabei meist in zwei Reihen oder in Ausnahmefällen in zwei Doppelreihen angeordnet. Die Länge der Großsteingräber variiert hierbei.

Oft wurden diese seitlichen Umfassungssteine bei Ausgrabungen freigelegt, sodass das Innenleben eines Grabhügels gut sichtbar ist. Wenn eine Megalithanlage unausgegraben vorliegt, wird der Begriff Hügelgrab verwendet.

Die Bezeichnung „Hünenbett“ geht auf das Niederdeutsche „hune“ = „Riese“ zurück. Früher haben sich die Menschen vorgestellt, dass es sich bei den Megalithanlagen um „Gräber von Riesen“ handele.

Die Megalithanlagen haben verschiedene Ausformungen, die wie folgt festgelegt wurden:

 

Urdolmen
Der Urdolmen hat der Definition nach einen Deckstein.

Erweiterter Dolmen
Von einem erweiterten Dolmen wird ab zwei Decksteinen gesprochen.

Großdolmen
Ab drei Decksteinen handelt es sich um einen Großdolmen.

Ganggrab
Ein Ganggrab besteht aus einer Kammer und einem davon abgesetzten Gang, der als Zugang dient. In der nördlichen Region Deutschlands liegen diese Eingänge meist an der Seite und oft im Norden.

In anderen Ländern Europas sind auch Ganggräber bekannt, die in ein rundes Grab führen. Von oben betrachtet erinnert diese Form an eine Gebärmutter.